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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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passt?«, wollte Claire von Mo wissen.
    »Wie sie immer wieder auf die Bedeutung der öffentlichen Anhörung hinweist«, hörte er.
    »Ich hatte das Gefühl, Sie hätten meine Gedanken gelesen«, fuhr Claire fort, die sich bei diesem Gespräch fast ebenso unwohl zu fühlen schien wie er selbst, aber sie sprach tapfer weiter.
    »Große Parade oder Schlachtfeld –«
    »Ich habe meinem Sohn gesagt, der Garten ist ein Ort, an dem sein Vater weiterleben wird«, sagte Claire.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Paul Rubin. »Es wird sich alles finden.«
    Mo nickte automatisch, bevor Claires Worte wirklich bei ihm ankamen. Die Namen auf den Mauern des Gartens waren für ihn nur ein weiteres architektonisches Element gewesen, aber sie standen für die Toten. Sie standen für die Gesichter, die nach den Anschlägen auf jeder freien Fläche geklebt hatten, sie standen für jene allererste Version einer Gedenkstätte. Seine architektonische Distanz geriet ins Wanken, als er sich den kleinen Jungen vorstellte, der im Garten nach seinem Vater suchte. Mo und Claire waren fast gleich groß. Er sah ihr in die Augen und räusperte sich. »Wie alt ist er? Ich hoffe, der Garten wird ihm helfen.«
    »Wenn neunzig Prozent von ihnen zur Anhörung kommen und sagen, dass sie den Garten nicht wollen, wird sie ihn den Leuten nicht aufzwingen«, hörte er den Vertreter der Gouverneurin sagen.
    »Sechs«, sagte Claire, »und er wird ihm ganz sicher helfen, wenn wir es schaffen, ihn tatsächlich durchzu –« Sie brach ab und entfernte sich abrupt, als sie sah, dass Ariana Montagu auf sie zusteuerte.
    Mo hatte Ariana einmal getroffen, vor drei Jahren, auf der riesigen Party, die Roi veranstaltet hatte, um seinen Pritzker-Preis für Architektur zu feiern, aber sie gab durch nichts zu erkennen, dass sie sich an ihn erinnerte. Die meisten der Juroren waren neutral zuvorkommend gewesen. Für Ariana war neutrale Zuvorkommenheit unverkennbar ein Auslaufmodell.
    »Der Garten war nicht meine erste Wahl«, fing sie an, als wolle sie sicherstellen, dass man ihr keine Vorwürfe machen konnte. »Sie haben ein paar interessante Entscheidungen getroffen, aber ein Garten? Ein Garten ist so –« Sie dehnte das Wort süffisant in die Länge – »erlesen. Und er scheint so gar nicht zu Ihren anderen Arbeiten zu passen.«
    Er fragte sich, was ihre erste Wahl gewesen war und wer sonst den Garten nicht gewollt hatte. Er hatte den Garten natürlich nicht für sie entworfen, aber eigentlich hätte er gedacht, gerade sie würde die modernistischen Einflüsse zu schätzen wissen, und Details wie die stählernen Bäume, deren immerwährende Kargheit die Sichtlinien vom Pavillon zur Mauer frei ließen. Er wollte gerade auf diese Punkte zu sprechen kommen, als Rubin sie für das Gruppenfoto zu sich bat.
    »Bitte lächeln«, rief der Fotograf. Und Mo lächelte.
    Kaum dass er Paul Rubins Haus verlassen hatte, rief er Laila Fathi an. »Hätten Sie vielleicht Zeit für einen Drink?« Er stellte die Frage so beiläufig, wie es einem Mann, der die Luft anhielt, möglich war. Wieso er das tat, hätte er nicht sagen können: Sie war nicht einmal annähernd sein Typ. Sein Typ waren Architektinnen oder Designerinnen, schlanke, schmale Frauen mit zarten Gesichtszügen, korrekt gekleidet, kühl in ihrem Stil und ihrem Verhalten. Laila war alles andere als kühl. Sie war zwar klein, aber kurvenreich, und ihr Gesicht war eher markant und auffällig, wie auch die Lippenstifte, die sie bevorzugte. Sie trug am liebsten leuchtende Farben und hatte, wie er bei mehreren Arbeitstreffen herausgefunden hatte, zahlreiche Vorlieben: Essen aller Art, persische Gedichte und iranische Filme, ihre beachtliche Großfamilie. Sie war in keiner Hinsicht blasiert, am wenigsten, wenn es um ihre Fälle ging, was bedeutete, dass sie seine Entschlossenheit, um seine Gedenkstätte zu kämpfen, ehrenhaft fand. Und das, beharrte er, war der Grund für die Schwerelosigkeit – die Schwerelosigkeit eines Ballons, den ein Kind gerade losgelassen hat –, die er empfand, wenn er an sie dachte, und er hatte seit ihrer ersten Begegnung im MACC -Büro weit öfter an sie gedacht, als angebracht gewesen wäre.
    Er schlug eine dunkle, intime Bar im West Village vor. Ihr Gegenvorschlag war ein Restaurant in der Nähe des Madison Square Parks, das für sie bequemer zu erreichen war. Während er auf sie wartete, bewunderte er das Interieur im Art Deco-Stil – demonstrativ hohe Decken, klare Linien. Sie saßen in einer

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