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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Nische mit einem Tischchen, auf dem eine Kerze flackerte und das so winzig war, dass ihre Knie sich berührten.
    Er berichtete ihr von den Gesprächsfetzen, die er aufgeschnappt hatte und die darauf schließen ließen, dass man die öffentliche Anhörung dazu benutzten wollte, seinen Entwurf zu kippen. Und dass er den Eindruck hatte, Ariana wünsche sich nichts mehr als das. »Ich war gar nicht auf die Idee gekommen –«, er zögerte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, weil sein verletzter Stolz ihm peinlich war, »– dass die Entscheidung für den Garten nicht einstimmig ausgefallen sein könnte und sie oder irgendjemand sonst die Tatsache, dass ich Muslim bin, als Vorwand benutzen könnte, einen anderen Entwurf durchzusetzen.«
    »Wir werden uns einen Schritt nach dem anderen vornehmen«, sagte Laila. »Immerhin hat man Sie jetzt öffentlich anerkannt.«
    »Aber auf eine mehr als merkwürdige Weise. Es war wie auf einer Cocktailparty, auf der niemand zugeben will, dass gerade eine Atombombe explodiert ist. Kein anderer Gewinner wäre so abgefertigt worden.«
    »Das stimmt zwar, aber da Sie es nicht beweisen können, ist es juristisch irrelevant.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Es geht mir auch nicht um juristische –« Er brach ab, wusste nicht, wie er es erklären sollte.
    »Es geht Ihnen darum, wie Sie sich deswegen fühlen. Ich verstehe.« Ihre Worte ließen eine Art Band zwischen ihnen entstehen. Es gab niemanden, mit dem er darüber reden konnte, welchem Druck er sich ausgesetzt fühlte. Seine Eltern, die zweimal, manchmal dreimal am Tag anriefen, machten sich auch so viel zu viele Sorgen, und bei Thomas konnte er sich auch nicht gut ausweinen. Nach außen hin gab er sich ungerührt und selbstsicher, denn als einziger dunkelhäutiger Junge an einer ansonsten weißen Schule hatte er schon vor sehr langer Zeit gelernt, dass man Eindruck schinden konnte, wenn man so tat, als sei die Meinung anderer einem völlig egal. Aber er war kein Roboter.
    »Ich habe eine Menge Gefühle, die ich gar nicht von mir kenne«, gestand er ihr. Am schlimmsten war die Verbitterung über das Verhalten der Opferfamilien, die kein gutes Haar an ihm ließen und ihn zu einem Zerrbild machten. »Ich habe den Garten für sie entworfen, und sie prügeln nur auf mich ein«, sagte er.
    »Haben Sie es wirklich für sie getan, oder vielleicht doch auch für sich selbst?«, fragte Laila. Sie lächelte, als sie seinen Blick sah. »Ich bin sicher, dass es Ihnen wichtig war, den Familien zu helfen, die Trauer zu verarbeiten, aber – wissen Sie, mein Vater ist Karikaturist. Die Politik ist sein großes Thema. Er will provozieren, will die Einstellung der Leute verändern, aber vor allem zeichnet er nun einmal für sein Leben gern. Übrigens ist Ihr Garten wirklich sehr schön – sehr bewegend, sollte ich vielleicht lieber sagen. Der Pavillon als Ort der Besinnung ist großartig. Sie wissen ja sicher, dass es ein typisch östlicher oder zumindest persischer Gedanke ist – dass ein Garten nicht dazu da ist, sich darin zu ergehen oder etwas zu tun, sondern um darin zu sitzen. Innezuhalten. Was für eine Gedenkstätte genau das Richtige ist. Ich muss ständig daran denken, wie es sein muss, über das Wasser hinweg auf all diese Namen zu blicken.«
    Noch nicht dazu bereit, seine ungewohntesten Gefühle zu äußern, nämlich die, die sich um sie selbst drehten, bot er ihr an, sie nach Hause zu begleiten. Sie schlenderten die Third Avenue hinauf. Das Empire State Building war wie eine Laterne, die jemand hochhielt, um ihnen den Weg zu leuchten. Angeregt vom Wein und der milden Abendluft wirkte Laila auf eine Weise frei, die ihm verwehrt war, daneben waren seine Versuche, seine Individualität zu behaupten – sich eine Identität zu schaffen –, bemüht, ja geradezu lächerlich. Nach seiner Rückkehr aus Kabul hatte er sich einen Bart wachsen lassen, einfach nur, um sein Recht zu behaupten, einen Bart tragen zu dürfen, um mit den Vorurteilen bezüglich seiner Religion zu spielen, die sich daraus vielleicht ergaben. Sie hätte sich niemals aus demselben Grund ein Kopftuch umgebunden. Er tat so, als sei die Meinung anderer ihm gleichgültig. Bei ihr war es wirklich so.
    Er fühlte sich auf eine Art zu ihr hingezogen, die hochgradig körperlich, gleichzeitig aber auch eigenartig unschuldig war, als wolle er bei ihr Zuflucht suchen. Als er nach ihrer Hand griff, zog sie sie zurück.
    »Nein, Mo«, flüsterte sie. »Nicht in der

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