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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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zerstob.
    Er sah zur Glühbirne hinauf. Würde er seine Frau und seine Kinder dort oben vergessen können, oder würden sie manchmal vor ihm aufblitzen, ein vergangenes Leben, unwirklich wie die Erinnerung an einen freien Tag? Dürften seine Kinder ihn hin und wieder besuchen und würden sie verstehen, was mit ihm geschehen war? Mr Investor, ist das unser Vater, der fremde Mann, der uns immer die Tür öffnet und uns auf einem Tablett ein Stückchen Schokolade reicht? Sind Sie denn mit ihm zufrieden? Wissen Sie, sowohl meine Schwester als auch ich, wir können uns am besten daran erinnern, wie er aussah, wenn er schlief.
    Er schnellte mit dem Oberkörper in die Höhe. Er musste wieder zu Kräften kommen. Jetzt gleich musste er wieder zu Kräften kommen. Aus seiner eigenen Asche würde er auferstehen, wenn der amerikanische Investor ihn jetzt holen wollte. In der Matratze würde er sich festbeißen. Durch wie viele Täler war er schon in diesem Zimmer gegangen! Wie oft hatte er schon gedacht, zerschmettert am Boden zu liegen, um nur wenig später überschäumend das Leben zu feiern. Sollte doch der amerikanische Investor ruhig kommen! In diesem Zimmer hätte er keine Freude. In diesem Zimmer würde er dem amerikanischen Investor Feuer entgegenspeien und ihm den Mietvertrag um die Ohren hauen!
    Er sank wieder auf das Kissen nieder und blickte zur Glühbirne hinauf. Hatte der amerikanische Investor als gesetzmäßiger Eigentümer eigentlich das Recht, ihm diesen Mietvertrag aus der Hand zu nehmen und vor seinen Augen zu zerreißen? Welche Handhabe hätte er gegen den amerikanischen Investor, wenn dieser plötzlich verkündete, er wolle jetzt in diese Wohnung ziehen? Vielleicht war, nach all diesen ruhelosen Jahren, für den amerikanischen Investor jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich niederzulassen. Vielleicht hatte er sich Berlin als Wohnort erwählt, weil ihn diese unbelebte Stadt an die Öde über den Wolken erinnerte.
    Er wandte den Kopf um und sah zur Tür, die ins Wohnzimmer führte. Wenn nicht diese Wohnung, welche sollte sich der amerikanische Investor denn sonst auserkoren haben. Diese Wohnung war das Prunkstück des gesamten Gebäudekomplexes!
    Er sank auf das Kissen zurück. Wie oft hatten seine Frau und er an langen Abenden gemeinsam vor sich hin geträumt, was man alles, mit den nötigen finanziellen Mitteln, aus dieser Wohnung machen könnte. Die Raufasertapete könnte man aus allen Räumen entfernen und die rohen Wände weißeln. Den Stuck aufarbeiten und ihn dann farbig absetzen. Nach einer Grundsanierung könnte man das Bad zum Beispiel auf toskanische Weise kacheln und sich auch in den hinteren Trakt Parkett legen lassen. Man könnte die Räume aber auch umstrukturieren. Die Küche ins Wohnzimmer vorziehen, dahinter ein Bad mit einem ausgedehnten Saunabereich. Oder man könnte, wo jetzt die Küche ins hintere Treppenhaus überging, eine großzügige Dachterrasse anlegen, mit Palmen, die hoch in den Himmel schossen – Liegestühle mit Sektkübeln daneben, ein sprudelnder Pool in der Mitte, vergnügtes Geschrei und klingendes Lachen, ein Auf und Ab gut gelaunter Menschen, rote Lippen und helle Handtücher, ein Naherholungsgebiet für Weltreisende, köstliche Pralinen in goldenem Papier und er mitten dazwischen, das Tablett auf der flachen Hand. Habe ich Ihnen schon meinen neuen Diener vorgestellt? Bring doch meiner Freundin bitte einen Martini, und da er sich nun hinabbeugte, um der barbusigen Dame von der Hausverwaltung das Getränk hinunterzureichen, würde sie ihre dunkle Brille kurz liften und sich zu dem amerikanischen Investor aufrichten. Mir ist, als sei mir Ihr neuer Diener bekannt. Bin ich ihm vielleicht schon mal begegnet? – Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Aber vielleicht doch. Wissen Sie, Teuerste, man glaubt es kaum, doch dieser Diener war in seinem vorherigen Leben ein Schriftsteller. – Ein Schriftsteller! Wie interessant! Jedoch nicht ohne Risiko. Und trägt er noch etwas von einem Freigeist in sich? – Einem Freigeist? Ach was! Überhaupt nicht. Er ist ein herrlicher Diener! Völlig selbstlos und froh über jeden Auftrag, glücklich über jede Sekunde, die man ihn nicht sich selbst überlässt. Wissen Sie, ich bin durch einen Brief auf ihn aufmerksam geworden, den er mir selbst geschrieben hat. In diesem Brief, der von orthographischen Fehlern nur so wimmelte und dazu in einem larmoyanten und leider auch geschwätzigen Ton abgefasst war, berichtete er mir von einer

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