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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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wandte den Kopf zurück und rieb sich die Augen. War das der Hund, der noch vor gar nicht langer Zeit immerzu lebhaft und aufmerksam zu ihm hinaufgesehen hatte und schon die beiläufigste Ansprache mit ungezähmter Lust beantwortete? War es seine eigene Schwermut, die sich auf den Hund übertrug, oder spürte der Hund instinktiv und stärker noch als jeder andere von ihnen das Verderben, auf das sie zusteuerten? Roch der Hund vielleicht die Gefahr, in der sie schwebten, und warum war es eigentlich so still im Zimmer? War das die Stille, die ihn auch zukünftig erwarten würde? Hatte seine Frau ihn wirklich verlassen? Hatten sie und die Kinder sich bereits von ihm verabschiedet, ohne dass er es bemerkt hätte? Oder wollte seine Frau ihn bestrafen? Warum sprach denn niemand mit ihm! Sie konnte ihn doch nicht allein zurücklassen, hier in diesem Zimmer, schutzlos dem amerikanischen Investor ausgeliefert!
    Er hob die Hand und drehte sie vor seinen Augen. Er war doch nicht der einzige Mensch, der in die Klauen des amerikanischen Investors geraten war. Wie erging es denn den vielen Tausend anderen? Stritten sie auch mit ihren Partnern? Blickten sie auch gerade teilnahmslos an die Decke? Hatten sie sich auch bereits im Stillen damit abgefunden, unter den Augen des amerikanischen Investors vor Unglück zu sterben? Oder führten sie ihr Leben wie gehabt weiter? Schüttelten sie, indem sie morgens in aller Frühe aus dem Bett sprangen, den amerikanischen Investor von sich ab, scheuchten sie ihn, wenn er ihnen am Tag erschien, mit lauter Drohgebärde von sich fort, saßen sie vielleicht allabendlich in großer, fröhlicher Runde beisammen, um über den amerikanischen Investor zu witzeln, seine albernen Stiefel, seine dumpfe Aussprache, seine schlechten Zähne? Warum hatte sich noch keiner dieser Menschen ihm offenbart? Wo konnte er diese Menschen finden und gab es sie überhaupt? Warum war er so allein? Erschien ihm jeder Kampf von vornherein deshalb so aussichtslos, weil die ganze verheerende Aufmerksamkeit des amerikanischen Investors allein ihm galt? War das der Grund, weshalb er nicht einmal mit seiner Frau über den amerikanischen Investor sprechen konnte? Oder war die Geschichte noch niederträchtiger? Kannte seine Frau den amerikanischen Investor etwa? Hatte sich der amerikanische Investor an sie herangemacht und hatte sie seinen Blick sogar unter leichtem Erröten erwidert? Ein sonniger Tag! Aus einem Tross von Architekten, Verwaltern, Politikern und Journalisten, die gerade unten im Hof das neu erworbene Eigentum bewundern, ragt, mit seinem breitkrempigen Hut, der amerikanische Investor hoch empor. Und dann steigt mit einer anmutigen Bewegung in ihrem geblümten Kleid diese rothaarige Schönheit vom Fahrrad. Ein flüchtiges Lächeln und schon war es geschehen. Vielleicht flog das Flugzeug des amerikanischen Investors heute ohne ihn. Vielleicht lief der amerikanische Investor in diesem Moment, während die Kinder im Kino hinter riesigen Popcorneimern verschwanden, mit seiner Frau Hand in Hand durch die Straßen. Vielleicht bogen sie just in dieser Sekunde in ein nächstgelegenes Gebüsch. Vielleicht zog in diesem Gebüsch seine Frau gerade jetzt seinen Brief aus ihrer Bluse hervor, um ihn dem amerikanischen Investor zu überreichen.
    Er atmete tief ein. Für diesen Brief fehlte ihm doch mittlerweile jede Willenskraft. Er war doch längst ein gebrochener Mann und nichts anderes hatte der amerikanische Investor bezweckt. Er war das Opfer, das der amerikanische Investor sich auserkoren hatte. Unter Millionen von Menschen hatte es ihn getroffen. Weder seine Frau noch seine Kinder, er allein war das Objekt einer finsteren Begierde. Vermutlich hatte der amerikanische Investor unter Einsatz immenser finanzieller Mittel dies alles von langer Hand geplant. Wer bewies ihm denn, dass der vorherige Hausmeister tatsächlich entlassen worden war? Ebenso konnte er dazu abkommandiert sein, ihn zu beobachten. Vielleicht hielt die Nachbarin den amerikanischen Investor jede Nacht per Morsezeichen über seinen sich stetig verschlechternden Zustand auf dem Laufenden. Vielleicht würde noch in dieser Stunde die Tür aufgehen und der amerikanische Investor würde ihn schweigend hinter sich her aus der Wohnung herauswinken, einen Menschen, dem jede Selbstachtung abhandengekommen war, ein Diener, untertänig wie ein Hund, der gewissenlos jeden Wunsch seines Herrn erfüllte, weil nur so die qualvolle Leere seiner eigenen Tage für Momente

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