Der amerikanische Investor (German Edition)
mit den Armen schwenkend oder gewollt nüchtern, mit ernstem Blick und regungslos, in dem einen wie dem anderen Fall würde seine Frau schon bald gelangweilt zur Decke hinaufsehen. Sie hörte ihm doch ohnehin nicht mehr zu. Sobald er seine Stimme erhob, um zu ihr zu reden, blickte sie so gequält, als hätte sich ein störendes Geräusch im Raum verfangen, und immerzu schien es ihm, während er zu ihr redete, als wolle sie sich umsehen, als betete sie innerlich, dass doch bitte ein weiterer Mensch den Raum betreten möge, ein frisches Gesicht mit frischen Gedanken und Augen, in denen es sich selbst sinnenverwandt und fröhlich spiegeln ließ. Nicht nur niederschmetternd, auch beschämend war es für ihn zu sehen, wie sehr seine Frau aufblühte, sobald sich ihnen auf der Straße oder im Treppenhaus ein Dritter näherte. Wie ausgewechselt fing sie auf einmal an, lebhaft zu plaudern und ihr Gesicht zeigte sich plötzlich so offen, als wäre sie gerade aus einem miefigen Raum an die frische Luft hinausgetreten. So war es zum Beispiel auch, als sie neulich, oder war es doch schon ein paar Wochen her, in der Kneipe zufällig diesen jungen Schriftstellerkollegen angetroffen hatten. Weder so neugierig noch so aufgeschlossen hatte er seine Frau jemals zuvor gesehen. Am Ende waren dem jungen Schriftstellerkollegen und seiner Frau die Worte so frisch und beschwingt aus dem Mund geperlt, als wollten sie sich Kusshände zuwerfen. Dabei war der junge Schriftstellerkollege, anfangs zumindest, viel mehr an ihm interessiert. Aber was hatte er an diesem Abend eigentlich gesagt und hatte seine Frau auch nur einmal zu ihm hingesehen, wenn er das Wort ergriffen hatte? Schweigend waren sie an diesem Abend nebeneinanderher nach Hause gegangen. Aber warum erinnerte er sich jetzt daran?
Er schreckte hoch. Hatte sich seine Frau vor der Haustür nicht sogar noch einmal in Richtung der Kneipe umgeschaut? Vielleicht waren seine Frau und die Kinder gar nicht so weit weg. Hatte der junge Schriftstellerkollege an diesem Abend nicht auch erzählt, er wohne nur ein paar Häuser von ihnen entfernt? Vielleicht saßen seine Frau und die Kinder bei ihm in der Wohnung und sahen mit leuchtenden Augen zu ihm hinauf, weil er ihnen gerade seinen neuesten Prosatext vorlas. Vielleicht drehte er just in dieser Sekunde das letzte Blatt auf die leere Seite. So, Freunde, das war es für heute. Die Kinder dürfen sich jetzt ihre Chipstüten aufmachen und wie versprochen den Film gucken und eure Mutter und ich gehen für eine Weile nach nebenan. Einverstanden?
Er sank wieder nieder. Es war ja fast anzüglich gewesen, mit welcher Hingabe seine Frau an diesem Abend an den Lippen des jungen Schriftstellerkollegen gehangen hatte, der sie, kaum dass sie am Tisch Platz genommen hatten, erspäht und sich unaufgefordert zu ihnen gesetzt hatte. Die Laune zum Feiern hatte er auch gleich mitgebracht. Vor kurzem war sein erstes Manuskript bei einer Agentur angenommen worden, und was die ersten Resonanzen der Verlage betraf, ließ sich schon jetzt Erfreuliches ahnen. Nur warum hatte seine Frau daran so viel Anteil genommen? Mehrmals hintereinander hatte sie ihr Glas erhoben, um ihm zuzuprosten. Das ist ja toll!, hatte sie immer wieder ausgerufen. Er wisse natürlich nicht, ob es tatsächlich ein großes Buch sei, was er da geschrieben habe. Aber selbstverständlich wolle er sich über diese Reaktionen auch nicht beschweren. Er nehme sie einfach als Ermunterung. Das Buch nämlich, an dem er derzeit schreibe, würde er noch weit über das stellen, das gerade bei der Agentur läge. Noch drei Bier bitte!, hatte der junge Schriftstellerkollege gerufen. Die hatte am Ende alle seine Frau bezahlt. Die ganze Euphorie des jungen Schriftstellerkollegen hatte sie am Ende mit großzügiger Geste geschultert. Hatte er ihr nicht deshalb am nächsten Tag sogar noch Vorhaltungen gemacht? Hatte er sie nicht sogar mehrmals darauf hingewiesen, dass man von diesem Geld, das ihr an diesem Abend so freigiebig durch die Hand geflossen war, beiden Kindern zum Herbst hin jeweils ein Paar Gummistiefel hätte kaufen können? Der Stoff gehe ihm einfach nie aus, hatte der junge Schriftstellerkollege gesagt, weil er das Glück einer spannenden Biographie habe. Aber was heiße das schon! Auch er müsse sich jeden Tag an den Schreibtisch setzen. Wenn man sich nur ein wenig zusammenreiße, war er plötzlich bedächtig fortgefahren, als ginge es darum, eine Lehrmeinung festzusetzen, sei eine Seite am Tag immer
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