Der amerikanische Investor (German Edition)
drin. Das allein ergebe, wie er jetzt vorgerechnet hatte, in dreißig Tagen dreißig Seiten. Immerhin!, hatte er ausgerufen. Noch drei Bier bitte!, hatte er gerufen. Obwohl er erst seit fünf Wochen daran arbeite, sei auch das neue Manuskript bereits daumendick. Zunächst aber müsse er jetzt abwarten. Die Verhandlungen führe allein die Agentin. Er konzentriere sich ganz auf das Schreiben. Noch drei Bier bitte und ein anderes Thema. Er wolle ja gar nicht so viel von sich reden. Das sei ja alles nur eitel und unwichtig. Was er ihnen beiden nämlich schon längst habe sagen wollen, sei, was sie doch für bezaubernde Kinder hätten. Mehr könne man im Leben vermutlich nicht erreichen und natürlich strebe auch er dieses Glück an, nur sei seine Beziehung leider vor einem halben Jahr daran zerbrochen, dass er schlichtweg zu viel gearbeitet habe. Dabei habe er seine Freundin geliebt. Aber was ist Liebe? Er sei sich nicht sicher, ob er das bereits erfahren habe. Schön sei es, sie beide hier, heute Abend, zufällig zu treffen. Noch drei Bier bitte! Es würde ihn auch immer freuen, wenn er einem von ihnen auf der Straße begegnete. Er habe jetzt auch endlich, der junge Schriftstellerkollege hatte ihm plötzlich ganz fest in die Augen geblickt, in zwei seiner Bücher hineingelesen, die er übrigens äußerst günstig übers Internet erstanden und die er deshalb so interessant gefunden habe, weil sie so diametral zu seinen eigenen seien. Ob er noch immer an dem Kinderbuch arbeite, das mit dem Briefe schreibenden Hund, von dem er ihm vor ein paar Monaten auf der Straße erzählt hatte? Was hatte er da eigentlich geantwortet? Hatte er von seinen Schlafstörungen berichtet oder von seinen Schreibhemmungen? Hatte er vielleicht mit leiernder Stimme lang und breit begonnen, das Wohnungsproblem zu erörtern? Hatten seine Frau und der junge Schriftstellerkollege, während er noch vor sich hin jammerte, nicht längst in ein interessantes Gespräch hineingefunden? Noch drei Bier bitte! Waren seine Frau und der junge Schriftstellerkollege, während er plötzlich mit altkluger Miene vor sich hin referierte, dass es zwischen zwei Sätzen Phasen einer längeren Schreibabstinenz, Phasen des Aufbaus und Aufbruchs geben müsse, nicht schon tief in die aufregende Kindheit des jungen Schriftstellerkollegen hinabgestiegen? Hatte seine Frau nicht sogar peinlich berührt weggeschaut, noch drei Bier bitte!, als er plötzlich über die Einsamkeit am Schreibtisch klagte, von der Schwierigkeit der Stoff- und Wortfindung sprach, von Kränkungen und wunden Punkten, der barbarischen Ignoranz, über die er nun schon sein ganzes Schriftstellerleben lang hinwegstolperte, und hatte der junge Schriftstellerkollege nicht immer wieder kurz zu ihm hingesehen, ihm die Hand auf die Schulter gelegt und ihn mit schnellen Worten ermuntert, bloß nicht aufzugeben, sondern einfach weiterzuarbeiten, und wenn es auch nur eine Seite sei, die er am Tag schaffe, so seien es doch in sieben Tagen schon sieben Seiten und in elf Tagen elf Seiten und noch drei Bier bitte. Die reizende Dame an meiner Seite hat Durst! Was beklagt sich dein Mann eigentlich die ganze Zeit. Er hat doch zwei bezaubernde Kinder und eine Frau, die ich, das bitte ich jetzt nicht misszuverstehen, wenn sie nur ein wenig jünger wäre, vor seinen Augen hinweg in meine Wohnung entführen würde. Warum schweigt dein Mann nicht einfach und lauscht ein wenig unserer charmanten Plauderei? Ich fühle mich ja geradeso wie ein Araber, dem man einen Eissturm zu erklären versucht. Mich schaudert zwar, aber ich verstehe nichts. Ist das Literatur? Kannst du nicht deinem Mann sagen, dass er, wenn er schon immerzu reden muss, dies doch bitte etwas leiser tun könnte? Sonst verpasst er in seinem Kopf womöglich, was ihm sein Hund als Nächstes zuflüstern möchte.
Er schnellte hoch und sah zum Schreibtisch hin. Das Kinderbuch, entfuhr es ihm. Warum hatte er nicht an dem Kinderbuch weitergearbeitet? Warum war er in all diesen vergangenen, haltlosen Wochen nicht einmal auf die Idee gekommen, an dem Kinderbuch weiterzuarbeiten? Wenn er konsequent und konzentriert und mit der nötigen Freude an dem Kinderbuch weitergearbeitet hätte, dann würde er es vermutlich jetzt, in diesen Wochen, beendet haben. Mehr als siebzig bis neunzig Manuskriptseiten hatte er doch gar nicht geplant! Vielleicht hätte er mit seiner Frau, just an diesem Abend, im Wohnzimmer auf die Fertigstellung der ersten Fassung des Kinderbuches mit einem
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