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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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dem? Sind Sie etwa auch einer von denen?«
    »Von
denen

    »Na, eben auch so ein fürchterliches Wrack, das sich ständig mit Alkohol und Drogen abfüllt!«
    Ich zögerte. Am liebsten hätte ich dem barschen Alten ein paar passende Worte gesagt, aber dann wäre die Wahrscheinlichkeit, Justus Hürli ausfindig zu machen, wohl noch stärker gegen Null gelaufen. Ich zwang mich, möglichst verbindlich zu klingen.
    »Ich muss ihn in einer Angelegenheit sprechen, die für mich sehr wichtig ist. Vor zwei Jahren hat er eine Aussage gemacht, bei der Polizei, und dazu wollte ich ihn noch einmal etwas fragen.«
    »Sind Sie Polizist?«
    »Nein, nein, ich bin nur …«
    Der Mann wollte meine Erklärung offensichtlich gar nicht mehr hören, denn er bellte: »Seine Nummer hab ich nicht. Aber der soll jetzt in irgend so einem Laden arbeiten, der alte Bücher anbietet, die sowieso keiner haben will.«
    »Sie meinen ein Antiquariat?«
    »So nennt sich das wohl.«
     
    Inzwischen war es Abend geworden. Ein flaues Gefühl im Magen erinnerte mich daran, dass ich seit unserer morgendlichen Besprechung, bei der es Butterbrezeln gegeben hatte, nichts mehr gegessen hatte. Die Sonne stand schon schräg. Bald würde sie hinter das Dach der Fertigungshalle tauchen. Ich ging zum Fenster, öffnete es weit und ließ dieletzten Strahlen einströmen. Die Ulme vor meinem Fenster wisperte vertraulich.
    Versöhnlich gestimmt setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch. Frau Meyer streckte den Kopf herein und grüßte stumm winkend, weil sie sah, dass ich den Hörer in der Hand hielt. Ich tippte gerade eine der Nummern ein, zu der ich bisher noch keinerlei Anhaltspunkte gefunden hatte.
    Es tutete. Dann hörte ich jemanden etwas nuscheln.
    Ich verstand nicht, fragte nach und die Stimme wiederholte, deutlicher nun und sichtlich genervt: »Erotic Center, haaallooo!«
    Ich stutzte. Schnell murmelte ich etwas von »verwählt«. Dann hörte ich noch, wie der Mann am anderen Ende ein »Na, sicher doch« von sich gab. Völlig perplex legte ich auf.
    Die Handschellen fielen mir wieder ein.
    Ich fühlte, wie dieses schummrige Milieu mir Angst einjagte.
    Mir wurde übel. Wenn jemand eine Nummer in seinem Handy speicherte, so bedeutete dies doch, dass er sie öfters benötigte! Was hatte ich bloß mit einem Sexshop zu schaffen gehabt?
    Ein Bild tauchte vor mir auf. Das Bild eines Mannes, der mit flackerndem Blick und feuchten Fingern in einer schmierigen Zeitschrift blätterte. Er sah aus wie ich.
    Und da war noch ein anderes, noch abstoßenderes Bild. Ich sah Anouk, mit Handschellen ans Bett gefesselt. Und mich, betrunken und …
    Unwillkürlich schlug ich mit der Faust auf den Tisch. Ein scharfer Schmerz in meiner Hand verscheuchte die Bilder.
    Die Tür ging noch einmal auf, diesmal war es Wenzlow, der den Kopf hereinstreckte und »Bis morgen dann!« rief.
    Nun war also keine Nummer mehr übrig. Ich hatte sie alle verfolgt. Aber es gab noch zwei große Fragezeichen. Sie standen hinter »Scherer Consult« und Justus Hürli.
    Mit diesem Junkie wollte ich auf jeden Fall sprechen. Immerhin hatte ich schon mal die Information, dass er am Leben war.
    Ich rollte mit dem Schreibtischstuhl an den PC und gab im Google-Suchfenster die Begriffe »Antiquariat« und »St. Gallen« ein. Die Suchmaschine offerierte mir zwei Buchläden.
    Ich versuchte es unter der ersten Nummer und erfuhr kurz darauf, dass dort kein Justus Hürli bekannt war.
    Bei der zweiten Nummer ließ ich es dreimal, viermal, zehnmal klingeln. Irgendwann schaltete etwas in der Leitung und ich hörte, wie der Klingelton zu einem rascheren Rhythmus fand. Oder war es nur ein Besetztzeichen? Unzufrieden legte ich auf.
    In der Schreibtischschublade fand ich eine Packung Kaugummis, riss sie auf und nahm mir einen. Das Hungergefühl wurde aber nur noch schlimmer. Trotzdem konnte ich mich nicht überwinden aufzustehen. Ich saß einfach eine Weile herum.
    Nach ein paar Minuten wählte ich noch mal die Nummer von vorhin. Ohne Erfolg.
    Als ich so dasaß und darauf wartete, dass etwas geschehen würde, dachte ich an den Morgen und an Anouks Telefonat, das ich mit angehört hatte.
    Mein Leben wurde immer wirrer. Ich hatte das Gefühl, in eine Art Strudel hineingeraten zu sein. Es war, als ob ich mich unter etwas Dumpfem duckte. Es konnte jederzeit auf mich herabsausen. Unzählige Fragen trieben mich um.
    Plötzlich wurde mir eines klar: Der einzige Weg, Gewissheit zu erlangen, war, Anouk um ein offenes Gespräch 

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