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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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zu bitten, endlich. Diese Geheimniskrämerei – wenn auch aus vermeintlicher Rücksichtnahme – musste ein Ende haben.
    Ich beschloss feierlich, in entspannter Atmosphäre mit ihr zu sprechen. Nicht zu Hause. Dort fühlte ich mich nicht wohl. Ich blätterte die Gelben Seiten durch, nahm den erstbesten Namen eines Restaurants, das mir vage bekannt vorkam, und reservierte einen Tisch für acht Uhr.
    Wenn ich mich beeilte, würde ich es vor Ladenschluss schaffen, Blumen oder eine andere Aufmerksamkeit für Anouk zu besorgen.
    Auf einmal fühlte ich mich sicher. Ja, das war der richtige Weg. Ein Leben und auch Liebe konnten nur auf der Grundlage von Vertrauen existieren, dachte ich, und kam mir dabei sehr weise (aber auch ein wenig lächerlich) vor. Auf jeden Fall hatte bislang etwas zwischen uns gestanden, etwas Düsteres und für mich nicht Greifbares, und ich vermutete, dass Anouk mir dieses Etwas genauer erklären konnte.
     
    Voller guter Vorsätze machte ich mich auf den Weg nach Bregenz. Um diese Zeit herrschte wie immer viel Verkehr. Man stand und fuhr, aber wenn man fuhr, dann nur im Schritttempo.
    Die Floristin in dem kleinen Blumengeschäft in der Römerstraße war gerade dabei zu schließen und wuchtete Terrakottatöpfe hoch, um sie für die Nacht in den Laden zu verfrachten. Ich ließ mir einen raffinierten Strauß aus edlen weißen Blüten und hellgrünem Laub zusammenstellen, den die Floristin mit Bast umwickelte. Voller Ungeduld trat ich von einem Fuß auf den anderen. Ich konnte es kaum erwarten, Anouk zu begegnen – jetzt, da ich den Entschluss gefasst hatte, Klarheit in mein Leben zu bringen!Endlich würde ich die Wahrheit einfordern. Natürlich sanft und liebevoll. Mir war mittlerweile egal, wie unangenehm diese Wahrheit wäre. Sie wäre die Grundlage für eine gemeinsame und wunderbare Zukunft. Eine Zukunft mit Anouk.
    Lautes Hupen riss mich aus meinen Zukunftsvisionen, holte mich zurück in die Bregenzer Innenstadt. Ich hatte meinen Jeep in zweiter Reihe direkt vor dem Geschäft geparkt. Ein älterer Mann stand in der offenen Tür seines Wagens und sah sich gleichzeitig nach allen Seiten um. Er gestikulierte wild fluchend. Rasch bezahlte ich, nahm meinen Strauß und fuhr davon, unter wüsten Vorarlberger Verwünschungen, von denen »elendiglicher Siach« und »Piefke« noch die nettesten waren.
     
    Wenn ich jetzt zurückblicke und an meine damalige Stimmung denke, an den Vorsatz, partout hoffen zu
wollen
, wird mir ganz wehmütig ums Herz. Am liebsten würde ich den Gedanken daran verscheuchen. Damals konnte ich nicht wissen, dass unsere Zukunft so eng und schicksalhaft mit unserer Vergangenheit verknüpft war. Was war dagegen schon ein Blumenstrauß oder ein offenes Gespräch?
    Die Taten waren geschehen. Ihre Schatten lagen dunkel und furchtbar über unser aller Leben. Es gab beinahe nichts, was uns hätte retten können.
Beinahe.
     
    Unbeschwert und naiv fuhr ich an jenem Abend mit meinem Strauß und den guten Vorsätzen in Richtung Pfänder. An einer Tankstelle sah ich sie dann. Sie stand an der vorderen Zapfsäule, schön und elegant, und ließ Benzin in den Porsche laufen. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mich getäuscht, so wie das immer ist, wenn man etwas oder jemanden an einem bestimmten Ort nicht erwartet hätte.
    Ich bremste, ließ das Fenster herunter, rief und winkte wild. Doch Anouk bemerkte mich nicht. Sie stand weiterhin unbeweglich da, eine Grace Kelly an einer Tankstelle in Bregenz.
    Im dichten Berufsverkehr gelang es mir nicht gleich zu wenden, und als ich schließlich auf die Tankstelle zufuhr, bog Anouk gerade auf die Straße ein. Drei Wagen vor mir steuerte sie den Porsche in die unserem Zuhause entgegengesetzte Richtung.
    Wo wollte sie denn um diese Uhrzeit noch hin? Ich versuchte mich zu erinnern, was sie am Morgen gesagt hatte, ob sie von irgendwelchen Plänen erzählt hatte, kam aber auf nichts.
    Es war heiß an diesem Abend. Ich schaltete die Klimaanlage ein. Der Akku meines Handys war natürlich ausgerechnet jetzt mal wieder leer. Anrufen konnte ich Anouk also nicht. An einer Ampel wollte ich zu ihr vorlaufen, um sie über unser kurioses Zusammentreffen zu informieren.
    Andererseits interessierte es mich auch brennend, wohin sie gerade unterwegs war. Und das würde ich vielleicht eher herausfinden, wenn ich mich nicht zu erkennen gab.
    So folgte ich Anouk. Mein schlechtes Gewissen beruhigte ich damit, dass ich ihr ja am Zielort gleich von meinen Plänen für

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