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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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einziges Ziel in diesen Tagen war, mich so gut es ging vom Nachdenken abzuhalten.
    Hürli bemerkte ich kaum. Er hatte sich mittlerweile tatsächlich an meine Fersen geheftet. Und er machte es richtig professionell. Umso überraschter war ich, als er mich an einem Montagabend im Krankenhaus abpasste.
    Er hielt eine Kamera in der Hand und flüsterte: »Herr Winther, ich glaube, ich weiß jetzt, mit wem Sie’s zu tun haben. Und es wird Ihnen nicht gefallen, wenn die Bemerkung gestattet ist …«
    Der Aufenthaltsraum auf Anouks Stockwerk war um diese Zeit meistens leer. So auch heute. Hier würden wir uns ungestört unterhalten können. Nachdem wir uns gesetzt hatten, schaltete Hürli das Display seiner Kamera ein.
    Er spulte die Bilder in rascher Abfolge ab. Sie zeigten zunächst den jungen Südländer vom Schiff, danach einen kräftig gebauten Braunhaarigen, den ich noch nie gesehen hatte, und schließlich:
den Fremden
. Auf einem der Fotos stand er gerade vor einem mir völlig unbekannten Haus, an dessen Fassade diverse Firmenschilder hingen. Ein anderes Bild war etwas unscharf. Dennoch erkannte ich wiederum
ihn.
Auf diesem Schnappschuss lehnte er lässig an der Theke eines zwielichtigen Lokals. Hürli entnahm meinen Blicken, dass er den Richtigen fotografiert hatte.
    Ich war verblüfft. »Wie haben Sie das denn gemacht?«
    Hürli senkte den Blick, lächelte bescheiden, zuckte mit den Schultern und sagte: »Man muss halt warten können. Das ist wie beim Meditieren.«
    »Und Sie haben angedeutet, dass Sie außerdem noch ein paar Informationen zu diesen Typen haben    … Ging das auch rein meditativ?«
    »Na ja, da gibt es ein paar Leute, die mir einen Gefallen schuldig waren. Aber lassen wir das.«
    »Und? Wer ist der Mann?«
    »Heinrich von Maydell ist sein Name. Seit Jahren ist die Polizei hinter ihm her, aber bisher ohne Erfolg. Er hat einige dubiose Briefkastenfirmen im Ausland – in Luxemburg, Liechtenstein … Zumindest werden sie mit ihm in Verbindung gebracht. Aber: Man kann ihm nichts nachweisen. Vor drei Jahren stand er vor Gericht, weil er mit irgendwelchen Waffenschiebereien für einen afrikanischen Staat zu tun gehabt haben soll. Ein Kronzeuge, der sogar eine Zeit lang in Schutzhaft war und dann unter Polizeischutz stand, verschwand ein paar Tage vor der mündlichen Verhandlung spurlos. So verpuffte die Anklage im Nichts. Aber das ist nicht das, was mich – oder Sie – beschäftigen sollte.
    Ich habe mich ein bisschen umgehört – in einschlägigen Kreisen. Seit einigen Jahren, genauer gesagt seit 1999, soll von Maydell verstärkt Kontakt zum Osten pflegen. Ich weiß das von einer Frau, die wirklich vertrauenswürdig ist. Sie sagt, von Maydell treffe sich mit Gestalten, die allesamt mit der Russenmafia zu tun haben. Die Polizei beobachte ihn schon eine Weile, aber er sei wahnsinnig geschickt. Aalglatt, wenn Sie so wollen. Sie kriegen ihn einfach nicht.«
    Ich bemühte mich, die volle Tragweite von Hürlis Worten – für mich und mein Leben – zu erfassen. Etwas einfältigfragte ich: »Russenmafia? Was genau bedeutet das denn?«
    »Eigentlich ist die Bezeichnung ›Russenmafia‹ nicht gerade aussagekräftig, denn genau genommen treibt eine Vielzahl unterschiedlicher Banden unter diesem Oberbegriff ihr Unwesen. Die Zusammenarbeit mit anderen Syndikaten, aber auch das knallharte Vorgehen, kennzeichnen die russische Mafia, die ihr Personal vornehmlich aus osteuropäischen Auswanderern rekrutiert.«
    »Zu diesen Leuten hat von Maydell Kontakt?«
    Hürli nickte.
    »Und was treiben diese Typen den lieben langen Tag? Das sind doch meistens so nette Geschichten wie Steuerhinterziehung, Erpressung und Geldwäscherei, oder?«
    Hürli seufzte.
» Ihre
nette Geschichte, Herr Winther, hat was mit Plutonium- und Uranschmuggel zu tun. Und wenn wir eins und eins zusammenzählen, so ist anzunehmen, dass Ihre geheimnisvollen Reisen nach Russland keine Vergnügungstrips waren. Sie dienten sicherlich dem Zweck, radioaktive Substanzen illegal von Moskau nach Deutschland zu befördern. Das hat Ihnen durchaus
nette
Sümmchen eingebracht.«
     
    Später saß ich an Anouks Krankenbett, betrachtete die pochende Ader an ihrer Schläfe und konnte die quälenden Gedanken nicht abschalten. Meine einzige Hoffnung war, dass nicht ausgerechnet jetzt wieder Hella und Arne vor der Tür stehen würden. Ihre vorwurfsvollen Blicke hätte ich heute keine Sekunde lang ertragen können. In den vergangenen Tagen waren wir uns einige

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