Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
seinem Whisky und ließ die braune Flüssigkeit lässig im Glas kreisen. Liv wurde wieder erregt, vergaß ihren Schwur, distanziert und unbeteiligt zu bleiben. Thorpe betrachtete hingerissen den Anflug von Röte unter ihrem Alabasterteint.
»Sie wussten, dass ich an der Dell-Story arbeitete. Sie kannten jeden Schritt, den ich unternommen habe. Kommen Sie mir nicht mit diesem unschuldigen Blick, Thorpe. Ich weiß, dass Sie gute Kontakte beim WWBW haben. Sie wollten, dass ich mich zum Idioten mache.«
Thorpe lachte, amüsiert, so ein Wort aus ihrem Munde zu hören. »Sicher wusste ich, was Sie tun«, gab er mit einem leichtfertigen Achselzucken zu. »Aber das ist Ihr Problem, nicht das meine. Ich habe Ihnen meinen Bericht gegeben; die übliche Verfahrensweise. Die Lokalen werden immer von oben versorgt.«
»Ich hätte Ihre Kopie überhaupt nicht gebraucht, wenn Sie mir nicht das Messer an die Kehle gesetzt hätten.« Sie scherte sich im Moment einen Teufel um übliche Verfahren oder die Großzügigkeit von oben. »Mit den richtigen Informationen hätte ich den Stil des Interviews mit Anna Monroe ändern und es noch benützen können. Es war ein gutes Stück Arbeit und jetzt landet sie im Papierkorb.«
»Zu enger Gesichtskreis«, dozierte er. »Das Grundübel der Reportage. Wenn«, fuhr er fort und zündete sich eine neue Zigarette an, »Sie mehrere Möglichkeiten in Betracht gezogen hätten, hätten Sie Anna andere Fragen gestellt und sie besser im Griff gehabt. Und dann hätte das Interview nach meiner Meldung nur etwas umgeschrieben werden müssen, um es zu verwenden. Ich habe das Tape gesehen«, fügte er hinzu. »Wirklich gute Arbeit; Sie haben nur nicht die richtigen Knöpfe gedrückt.«
»Belehren Sie mich nicht, wie ich meinen Job zu machen habe.«
»Dann belehren Sie mich aber auch nicht.« Jetzt beugte auch Thorpe sich vor. »Seit fünf Jahren bin ich für politische Erstmeldungen zuständig. Glauben Sie nicht, dass ich Ihnen Capitol Hill auf einem goldenen Tablett serviere, Carmichael.
Wenn Sie ein Problem mit meiner Arbeitsweise haben, dann handeln Sie das mit Morrison aus.« Er warf den Namen des Generalintendanten des Washingtoner CNN-Büros lässig in den Raum.
»Ihre Arroganz kennt keine Grenzen.« Liv hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht. »Sie sind sich Ihrer Position als geweihter Hüter des heiligen Grals ja so sicher.«
»Meine Position als politischer Berichterstatter in dieser Stadt hat nichts mit irgendwelchen Weihen zu tun, Carmichael«, entgegnete Thorpe. »Ich bin in dieser Position, weil ich die Spielregeln hier beherrsche. Vielleicht brauchen Sie ein paar Nachhilfestunden.«
»Nicht von Ihnen.«
»Sie könnten es schlechter treffen.« Er unterbrach sich, um kurz zu überlegen. »Um der Loyalität unter Reportern Genüge zu tun, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Es dauert über ein Jahr, um hier Fuß zu fassen. Die Politiker in dieser Stadt sind verunsichert; ihre Jobs hängen ständig an einem seidenen Faden. Politik ist oft eine hässliche Angelegenheit – besonders seit Watergate. Politische Entwicklungen transparent zu machen, ist unsere Aufgabe. Die Herren da oben können uns nicht ignorieren, deshalb versuchen sie uns auf dieselbe Art und Weise zu benutzen wie wir sie.«
»Sie erzählen mir nichts, was ich nicht schon wüsste.«
»Möglicherweise nicht«, pflichtete er ihr bei. »Aber Sie besitzen einen Vorteil, den Sie nicht kultivieren. Ihr Aussehen und Ihre Klasse.«
»Ich verstehe nicht, was das mit …«
»Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind«, wiegelte er ihren Einwand mit einer genervten Handbewegung ab. »Ein Reporter muss alles für sich verwenden, was er erbitten, borgen oder stehlen kann. Ihr Gesicht hat nichts mit Ihrem Verstand zu tun, aber sehr wohl mit der Art und Weise, wie die Leute Sie annehmen. Die menschliche Natur.« Er ließ seine letzten Worte wirken.
Und Liv verdaute, was er gesagt hatte, nicht ohne Groll, da sie genau wusste, dass er Recht hatte. Manche Reporter hatten durch ihren Charme Erfolg, andere aufgrund ihrer schroffen
Art. Und Klasse, wie Thorpe es genannt hatte, könnte ihr helfen.
»Am Samstag findet ein Botschaftsempfang statt. Ich nehme Sie mit.«
Liv war sofort ganz Ohr. Sie starrte ihn verblüfft an. »Sie wollen …«
»Wenn Sie den Fuß in eine Tür schieben wollen, nehmen Sie am besten die, die am leichtesten zugänglich ist.« Ihr ungläubiger Gesichtsausdruck amüsierte ihn. »Sie glauben nicht, welch
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