Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
hochinteressante Gerüchte nach ein paar Gläsern Champagner in der Damentoilette gehandelt werden«
»Sie kennen sich da natürlich bestens aus, wie?«, gab Liv trocken zurück.
»Sie wären überrascht.«
Liv war auf der Hut, fühlte sich unwohl, war aber auch neugierig. »Warum sollten Sie das tun?«
Thorpe schob ihr Weinglas wieder vor sie hin. »Kennen Sie das Sprichwort vom geschenkten Gaul, Liv?«
»Ja, aber ich kenne auch das vom Wolf im Schafspelz.«
Thorpe lehnte sich lachend zurück. »Ein guter Reporter hätte die Tür aufgemacht und wenigstens einmal hineingelinst.«
Er hatte freilich völlig Recht, aber der Vorschlag gefiel ihr trotzdem nicht. Bei jedem anderen hätte sie nicht gezögert, aber bei Thorpe … Dadurch gewinnt er an Wichtigkeit, sagte sie sich und griff nach ihrer Tasche. »Also schön. Welche Botschaft?«
»Die kanadische.« Thorpe hatte es Spaß gemacht, Liv dabei zu beobachten, wie sie mit ihrer Entscheidung gerungen hatte.
»Um wie viel Uhr treffen wir uns?«
»Ich hole Sie ab.«
Sie war dabei, sich zu erheben, hielt aber in gebückter Stellung inne. »Nein.«
»Meine Einladung, meine Bedingungen. Nehmen Sie sie an oder lassen Sie’s bleiben.«
Das Ganze gefiel ihr immer weniger. Sich mit ihm irgendwo zu treffen, hätte dem Abend die berufliche Note gelassen
und ihn relativ sicher gestaltet. Obgleich sie bezweifelte, dass eine Frau in Thorpes Gegenwart je wirklich sicher war. Er hatte sie in die Ecke gedrängt. Wenn sie jetzt ablehnte, stünde sie wie eine Idiotin da und würde sich auch so fühlen. »Abgemacht.« Liv nahm ihr Notizbuch an sich. »Ich gebe Ihnen meine Karte.«
»Ich weiß, wo Sie wohnen.« Sie starrte ihn an, wachsam und misstrauisch. Thorpe lächelte. »Ich bin Reporter, Liv; ich handle mit Informationen.« Er erhob sich ebenfalls. »Ich begleite Sie hinaus.«
Er nahm ihren Arm und führte sie zur Tür. Liv sagte kein Wort. Sie war nicht sicher, ob sie einen Punkt gemacht oder zwei Schritte zurück getan hatte. Wie auch immer, dachte sie, es war jedenfalls besser, als auf der Stelle zu treten.
»Sie müssen nicht mit nach draußen kommen«, sagte sie, als er sie Richtung Parkplatz dirigierte. »Sie haben keinen Mantel an.«
»Machen Sie sich Sorgen um mich?«
»Nicht im Mindesten.« Entrüstet kramte sie in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln.
»Haben wir heute Abend unsere beruflichen Probleme beseitigt?« , erkundigte er sich, als sie den Schlüssel ins Schloss schob.
»Ja.«
»Komplett?«
»Komplett.«
»Gut.«
Er drehte sie herum, sodass sie ihn ansah, legte ihr die Hände auf die Schultern und küsste sie. Liv war viel zu verdutzt, um zu protestieren. Auf diesen Schachzug von Thorpe war sie absolut nicht vorbereitet gewesen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass dieser harte, kompromisslose Mund so weich und zärtlich sein könnte. Er zog sie enger an sich.
Sein Körper war muskulös, stark und sehr erregend. Das Blut in ihren Adern erhitzte sich. Sie hob eine Hand, nicht sicher, ob sie ihn abwehren oder noch näher an sich ziehen sollte. Irgendwie endete es damit, dass sie die Finger in dem gestärkten Stoff seines Oberhemds vergrub.
Thorpe unternahm keine Anstalten, den Kuss zu vertiefen oder weitere Intimitäten zu fordern. Er spürte ihre verzweifelten Bemühungen, nicht auf ihn zu reagieren, und wusste, dass es besser war, einfach abzuwarten. Er ignorierte seine eigenen Bedürfnisse und konzentrierte sich nur auf ihre.
Ganz allmählich wurden ihre Lippen weicher, nachgiebiger. Die Welt um sie herum verschwamm, als hätte man ein neues Objektiv vor eine Kamera geschraubt und noch nicht justiert. »Nein«, flüsterte sie an seinem Mund und öffnete die Hände, um ihn wegzustoßen. »Nein.«
Als Thorpe sie gleich darauf freigab, lehnte sie sich mit dem Rücken an ihren Wagen. Gefühle, die sie seit Jahren für tot gehalten hatte, begannen wieder zum Leben zu erwachen. Sie wollte diese Gefühle nicht, wollte nicht, dass Thorpe der Mann war, der sie wieder in ihr erweckte. Sie starrte ihn mit großen Augen an, und Thorpe beobachtete gespannt die vielfältigen Gefühle, die Verletzbarkeit, die abwechselnd über ihr Gesicht huschten. Und er spürte dabei etwas sehr viel Komplexeres als reine Begierde in sich aufsteigen.
»Das …« Liv schluckte und unternahm einen neuen Anlauf. »Das war …«
»Sehr schön, Olivia, für beide von uns.« Er bemühte sich um einen lockeren Tonfall, sowohl um seinet- als auch um ihretwillen.
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