Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
schockierte sie, überwältigte sie. Wie konnte das nur so rasch geschehen? Hätte ihr jemand vor einem Monat gesagt, dass sie sich danach verzehren würde, mit Thorpe ins Bett zu gehen, hätte sie schallend gelacht. Aber jetzt schien ihr das überhaupt nicht mehr lächerlich. Es schien ganz normal zu sein. Und das machte ihr Angst. Liv wand sich aus seinen Armen und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Sie brauchte Abstand, Zeit.
»Nein. Nein, ich bin noch nicht bereit dafür.« Sie befahl sich, tief durchzuatmen, und tat es ganz vorsichtig. »Thorpe, du machst mich nervös.«
»Gut.« Er unterdrückte einen erneuten Anfall heftiger Begierde und lehnte sich zurück. »Ich möchte dich nämlich nicht langweilen.«
Liv brachte ein raues Lachen zustande. »Langweilen tust du mich nicht, aber ich kann meine Gefühle dir gegenüber nicht richtig einschätzen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob du ganz Herr deiner Sinne bist. Diese – diese Wahnvorstellung, mich zu heiraten …«
»An unserem ersten Hochzeitstag werde ich dich an diese Unterhaltung erinnern«, entgegnete er gelassen und legte den ersten Gang ein. Solange er den Wagen steuerte, konnte er sich hoffentlich beherrschen, sie nicht noch einmal zu berühren. Thorpe entdeckte, dass er keineswegs so geduldig war, wie er geglaubt hatte.
»Thorpe, das ist lächerlich.«
»Denk doch nur mal daran, wie das die Quote hochtreiben würde.«
Liv wunderte sich, wie er es schaffte, innerhalb kürzester Zeit so liebenswert und so begehrenswert zu sein, um sie eine
Sekunde später auf die Palme zu bringen. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder den Kopf schreiend gegen die Windschutzscheibe schlagen sollte.
»Okay, Thorpe«, begann sie, nachdem sie sich für Geduld entschieden hatte. Thorpe fädelte den Wagen gekonnt in den Verkehrsstrom ein. »Ich werde dir jetzt ein für alle Mal klar und deutlich und mit den einfachsten Worten etwas sagen: Ich werde dich nicht heiraten. Niemals.«
»Wollen wir wetten?«, konterte er lässig und grinste sie von der Seite her an. »Ich setze fünfzig.«
»Erwartest du ernsthaft, dass ich um so etwas wette?«
»Oh, so wenig risikofreudig?« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin enttäuscht, Carmichael.«
»Mach hundert draus, Thorpe«, entgegnete Liv und kniff die Augen zusammen. »Ich halte zwei zu eins dagegen.«
Thorpe grinste und fuhr mit aufheulendem Motor über eine gelbe Ampel. »Abgemacht.«
7.
Premierminister Summerfields Tod kam völlig unerwartet. Der Schlaganfall, der das Leben des britischen Staatsmannes auslöschte, stürzte sein Land in tiefe Trauer und die gesamte Weltpresse in hektische Vorbereitungen. Es waren Sondermeldungen in Rundfunk und Fernsehen, Zusammenfassungen von Summerfields vierzigjähriger Karriere in der britischen Regierung zusammenzustellen und Reaktionen anderer Staatsoberhäupter auf den plötzlichen Tod Summerfields einzuholen. Welche Auswirkungen würde der Tod dieses einen Menschen auf das Machtgefüge der Welt haben?
Zwei Tage nach dem Ableben des Premierministers überquerte der Präsident der Vereinigten Staaten in der Air Force One den Atlantik, um den Beisetzungsfeierlichkeiten beizuwohnen und Summerfield die letzte Ehre zu erweisen. Mit an Bord – Thorpe.
Als Pressereporter war es seine Aufgabe, sich in der Nähe des Präsidenten aufzuhalten, soweit dieser es ihm gestattete, und anschließend seine Informationen an die anderen Nachrichtenredakteure weiterzugeben, die denselben Weg in einem Presseflugzeug zurücklegten. Thorpe wurde von einem Aufnahmeteam begleitet, das jedes relevante Ereignis während des Fluges festhalten sollte. Der Kameramann, die Licht- und Tontechniker saßen im hinteren Teil der Maschine, ihre Ausrüstung griffbereit. Ihre Kollegen folgten in der Pressemaschine. Im vorderen Teil der Air Force One reisten der Präsident und die First Lady und deren Begleitpersonal – Sekretäre, Berater, Mitarbeiter des Geheimdienstes. Die Stimmung war gedämpft.
In der Sitzreihe hinter Thorpe spielte das Kamerateam leise eine Partie Poker. Selbst ihre sonst deftigen Flüche beschränkten sich auf ein Minimum. Unter anderen Umständen hätte Thorpe sich zu ihnen gesellt und sich die lange Flugzeit mit ein paar Spielen und ein paar Geschichten vertrieben … doch ihm ging zu viel im Kopf herum.
Sein Job würde ihn den Flug über beschäftigt halten. Er hatte Recherchen und Informationen zu sichten und auszusondern, ein loses Konzept für den Tag der Beisetzung zu
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