Der Angriff
diesen Schuss unterhalten.«
Bei den »Jungs vom Secret Service«, von denen sie sprachen, handelte es sich um die Männer der »Countersniper Unit«, die als die besten Schützen der Welt galten. Unter Gefechtsbedingungen konnten sie es wahrscheinlich nicht mit Wicker aufnehmen, doch hier in der überschaubaren städtischen Umgebung waren sie absolut unerreicht.
Harris blickte wieder zum Weißen Haus hinüber. Diese Scharfschützen waren schon komische Typen – so ähnlich wie Torhüter beim Eishockey oder Werfer beim Baseball. Sie waren Einzelgänger, die absolut unabhängig arbeiteten und nebenbei furchtbar abergläubisch waren. »Gute Arbeit, Slick«, sagte Harris schließlich und klopfte Wicker anerkennend auf den Rücken. »Sieh zu, dass du bis heute Abend, sechs Uhr, soweit bist.«
Als Harris durch die Luke stieg, um den Turm zu verlassen, war er überzeugt, dass Wicker rechtzeitig bereit sein würde. Nun kam der schwierigere Teil der Sache; es galt die da oben zu überzeugen, dass eine Übung, an der er vor acht Jahren teilgenommen hatte, auch heute funktionieren würde. Harris hatte bereits einen fertigen Plan im Kopf. Er würde SEAL Team 6 als Speerspitze einsetzen. Delta und HRT konnten dann etwas später zuschlagen, wenn der richtige Moment gekommen war.
Es fiel ihr nicht ganz leicht, das auszusprechen, was sie sagen wollte. Anna Rielly war ein stolzer und etwas eigensinniger Mensch – aber sie war nicht undankbar, wie Rapp dachte. Milt Adams hatte die Tür zu ihrem Versteck geschlossen, sodass Anna dem Mann, der ihr das Leben gerettet hatte, allein gegenüberstand.
Sie schaute ihn bedeutend lieber an, wenn er lächelte. In seiner gegenwärtigen Stimmung sah er ziemlich gefährlich aus – und daran waren nicht nur die dunkle Kleidung und die Waffen schuld, die er trug, sondern auch seine finstere Miene und die dunkelbraunen Augen, die sie mit einer fast beängstigenden Intensität anblickten. Es kam ihr wieder in den Sinn, dass dieser Mann für sie getötet hatte.
»Was ich vorhin gesagt habe, das tut mir Leid«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »Ich will nicht, dass Sie mich für … undankbar halten.«
Anna senkte den Blick zu Boden. Es war einfach zu schwer, in diese dunklen Augen zu blicken, während sie ihre Entschuldigung aussprach. »Sie müssen verstehen, was es für mich bedeuten würde, so ein Papier zu unterschreiben, das mich zum Schweigen zwingt«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Aber mir ist klar, dass es da um sehr viel geht. Wenn ich also irgendetwas dazu beitragen kann, dass die anderen Geiseln gerettet werden können, dann tu ich das gern. Und wenn das alles hier vorbei ist … also, wenn Sie anonym bleiben möchten, dann werde ich das natürlich respektieren. Wenn Sie oder die Leute, für die Sie arbeiten, meine Geschichte lesen und korrigieren möchten, dann bin ich einverstanden. Ich werde mich wahrscheinlich mit Händen und Füßen dagegen wehren, aber ich werde am Ende zustimmen.«
Rapp war im Zwiespalt. Er hatte sich längst seine Meinung über die junge, attraktive Miss Rielly gebildet. Nun schien es so, als hätte er ihr doch ein wenig Unrecht getan. Sie hatte einen Fehler gemacht, doch sie hatte ihn eingesehen und wollte ihn wieder gutmachen. Es fiel ihr bestimmt nicht leicht, ihren Irrtum einzugestehen. Ihre Einsicht zwang Rapp nun in gewisser Weise, die ganze Sache neu zu überdenken.
37
Irene Kennedy saß an ihrem Platz in der Zentrale, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Augen geschlossen, und von einer Geräuschkulisse aus Computern, Faxgeräten, Scannern und Monitoren umgeben. Schließlich öffnete sie die Augen und blickte auf die rote Digitaluhr an der Wand. Es war fast halb ein Uhr nachmittags. Bald würden die Dinge in Bewegung kommen. Sie hatte es selbst schon gespürt und es auch an Thomas Stansfields Blick ablesen können.
Das Licht an ihrem Telefon leuchtete auf, und im nächsten Augenblick begann es zu klingeln. Sie griff nach dem Hörer. »Dr. Kennedy«, meldete sie sich.
»Irene, hier ist Jane. Ich habe versucht, eine Antwort auf Ihre Frage zu bekommen, aber es war etwas schwieriger als ich dachte.«
»Warum das?«
»Na ja, der Mann ist nur noch bedingt ansprechbar.«
Kennedy runzelte die Stirn. »Wird das noch mal besser?«
»Nein – das heißt, ich glaube es nicht.«
»Haben Sie irgendetwas aus ihm herausbekommen?«
»Na ja, er scheint nichts über diesen Yassin zu wissen, aber wie gesagt,
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