Der Angriff
diesen »arroganten Kerl« geärgert. Wie zum Teufel kam er dazu, sie so vorschnell zu verurteilen? Er hatte doch gar keine Ahnung, wer sie war. Er war eben auch einer von diesen Männern, die von sich dachten, sie wären die Einzigen, die wüssten, worum es im Leben ging. Solche Leute hatte sie unter den Freunden ihres Vaters zur Genüge gesehen. Sie hatten keine Ahnung, wie wichtig es war, dass es eine wirklich freie Presse gab. Für wen, zum Teufel, hielt er sich eigentlich? Eine Stimme in ihrem Hinterkopf antwortete ihr: Er ist der Mann, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um das deine zu retten.
In diesem Augenblick hörte Anna auf zu schmollen, und jetzt saß sie da und kam sich gar nicht mehr so besonders toll vor.
Der Aufzug blieb im zweiten Kellergeschoss stehen, und Rapp überlegte, welchen Schritt sie als Nächstes unternehmen sollten, bevor er Langley anrief. Es musste irgendeinen Weg geben, wie sie feststellen konnten, ob der Präsident gefährdet war oder nicht. Wenn sie in das verborgene Zimmer zurückkamen, würde er Adams seine Pläne noch einmal ausbreiten lassen und überprüfen, ob es nicht doch irgendeinen anderen Weg gab. Doch dann hätte diese Anna Rielly noch mehr von dem mitbekommen, was sie taten – und sie wusste auch so schon mehr als genug.
Als sie wieder in dem begehbaren Schrank waren, drehte sich Rapp zu Adams um. »Du bleibst hier und wartest mit Anna Rielly, während ich mit Langley spreche. Behalte die Lage mit deinem Monitor im Auge. Wenn es Ärger gibt, komm sofort in unser Versteck.«
Adams machte keinen allzu begeisterten Eindruck. »Übertreibst du es nicht ein wenig mit der Geheimniskrämerei?«, fragte er, doch Rapp war nicht in der Stimmung, sich auf lange Diskussionen einzulassen.
»Sie ist eine Journalistin – Ende der Debatte«, erwiderte er und trat in das kleine Zimmer ein. Anna Rielly saß immer noch in derselben Ecke wie zuvor, als sie gegangen waren. Rapp blickte zu ihr hinunter und wünschte sich, sie wäre nicht da. Er wünschte, er könnte sie aus seinen Gedanken verbannen.
»Sie sind früh wieder zurück«, war das Einzige, was Anna einfiel.
Er ging nicht auf ihre Bemerkung ein und streckte die Hand zu ihr aus. Sie nahm sie, und Rapp zog sie auf die Beine. Er schob sie in den Wandschrank hinaus, schloss die Tür hinter ihr und kniete sich ans Funkgerät. »Iron Man an Zentrale. Over«, meldete er sich.
Eine weibliche Stimme antwortete ihm, dass er einen Augenblick warten solle. Keine zehn Sekunden später hörte er Thomas Stansfields ruhige Stimme. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Leider gar nichts beim ersten Anlauf, Sir. Da war ein Tango auf dem Gang. Wir kamen nicht über die Treppe hinaus.«
»In welchem Stockwerk war der Tango?«, wollte General Campbell wissen.
»Im dritten Kellergeschoss«, antwortete Rapp. »Er war direkt vor den Türen zur Treppe und zum Heizungsraum postiert.« Es folgte eine Pause, und Rapp stellte sich vor, wie in der Zentrale eine Schar von Adjutanten Pläne herbeiholten, um dem General die Stelle zu zeigen.
»Haben Sie irgendeine Idee, warum er sich dort aufhalten könnte?«, fragte Stansfield.
»So auf Anhieb fallen mir zwei mögliche Gründe ein. Zum einen könnte der Kerl dort stehen, um zu verhindern, dass wieder jemand durch den Schacht hereinkommt. Es könnte aber auch sein, dass er dafür sorgen soll, dass dieser Yassin, oder wie der Kerl heißt, nicht bei der Arbeit gestört wird.«
»Das klingt plausibel«, sagte Stansfield. »Haben Sie oder Milt irgendeine Idee, wie wir an dem Wächter vorbeikommen könnten?«
»Möglicherweise«, sagte Rapp und rieb sich nachdenklich die Stirn. »Geben Sie mir zehn Minuten, dann melde ich mich wieder.«
Rapp beendete das Gespräch. Es galt jetzt, zusammen mit Milt einen Weg zu finden, wie man feststellen konnte, ob sich der Präsident immer noch in Sicherheit befand. Die Frage war nur, was er so lange mit der Reporterin machen sollte.
Er stand auf und drückte die Tür auf. Adams und Anna Rielly standen in dem schwach beleuchteten Wandschrank und unterhielten sich leise. Rapp winkte Adams mit einem Handzeichen zu sich und sagte zu Anna: »Milt und ich haben etwas zu besprechen; Sie bleiben so lange hier draußen.«
Adams trat vor, fasste Rapp am Arm und sagte: »Sie hat dir etwas zu sagen.«
Rapp stand unschlüssig da und fragte sich, was zum Teufel Adams wohl meinte. Er sah Anna an und erkannte, dass ihre anmaßende Haltung verschwunden war.
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