Der Angriff
Nachlässigkeit war absolut fehl am Platz. Rapp drückte die Tür auf und sah eine schwach beleuchtete Treppe vor sich.
Er drehte sich zu Adams und Anna Rielly um. »Hier scheint alles in Ordnung zu sein. Lassen wir Anna hinunter und hoffen wir, dass der Kerl eine schwache Blase hat.«
Wenig später wand sich Anna erneut durch das enge Rohr, nachdem Rapp sie vorsichtig hinuntergelassen hatte. Gleich darauf war sie wieder an ihrem Beobachtungspunkt angelangt und schaute durch die vergitterte Öffnung. Das Surren der Bohrer erfüllte die Luft. Sie nahm die Minikamera, die Rapp ihr gegeben hatte, und blickte zu der großen Tür hinüber, die in den Bunker führte. Es war weit und breit niemand zu sehen, auch nicht der dicke kleine Mann, der beim letzten Mal aufgetaucht war. Anna beobachtete, wie die drei Bohrer ihre Arbeit taten, und fragte sich kurz, ob sie das Signal geben sollte. Schließlich entschied sie sich dagegen. Sie konnte nur einen Teil des Vorraums überblicken, und es war gut möglich, dass sich im anderen Teil jemand aufhielt oder dass jemand weggegangen war und jederzeit zurückkommen würde.
Sie wischte mit dem Ärmel ihres Sweaters über die Wand vor ihr und befestige die Minikamera so, dass sie genau auf die Bunkertür gerichtet war. Nachdem sie das erledigt hatte streckte sie sich aus und versuchte es sich einigermaßen bequem zu machen.
Nachdem Wickers Leute alles für den entscheidenden Schuss vorbereitet hatten, nahm der Scharfschütze sein riesiges Barrett-Gewehr zur Hand. Mit seinen über eineinhalb Metern Länge und einem Gewicht von fünfzehn Kilogramm war es eines der größten Gewehre der Welt. Man konnte damit Ziele ausschalten, die bis zu 1,8 Kilometer entfernt waren.
Wicker legte die Waffe, die fast so lang war wie er selbst, an und blickte durch das Zielfernrohr. Über diese geringe Entfernung wäre es normalerweise nicht nötig gewesen, dieses durchschlagskräftige Gewehr vom Kaliber 50 einzusetzen, doch angesichts der Tatsache, dass der Terrorist auf dem Dach des Weißen Hauses von einer kugelsicheren Plexiglaswand geschützt war, war das Barrett genau die richtige Waffe. In diesem Fall würden sicherheitshalber sogar zwei dieser Gewehre zum Einsatz kommen. Wicker blickte zur untergehenden Sonne hinüber und bemerkte, dass das Wetter im Begriff war, sich zu ändern. Er griff nach seinem Handy, wählte eine Nummer und wartete darauf, dass sich der Betreffende meldete.
44
Anna Rielly hatte ihre Uhr nicht bei sich und hatte auch vergessen zu fragen, wie spät es war, bevor man sie in den Schacht hinabgelassen hatte. So steif, wie ihr Rücken sich mittlerweile anfühlte, schätzte sie, dass sie sich schon mindestens eine halbe Stunde in dem engen Lüftungsschacht aufhielt. Und nachdem sich in dem Teil des Raumes, den sie überblickte, absolut nichts rührte, war sie sogar einige Male für wenige Augenblicke eingenickt.
Die Tatsache, dass weit und breit niemand zu sehen war, machte sie langsam nervös. Sie fragte sich, ob der Raum nicht vielleicht doch leer war und ob sie das Signal geben sollte. Die Minuten verstrichen, und Anna wurde immer schläfriger. Als sie sich bereits ziemlich sicher war, dass sich niemand in dem Raum aufhielt, hörte sie plötzlich ein Geräusch, das sich von dem gleichmäßigen Surren der Bohrer abhob. Im nächsten Augenblick sah sie den dicken Mann, den sie schon beim ersten Mal gesehen hatte, näher kommen.
Er streckte die Arme über dem Kopf aus und ging zu den Bohrern hinüber, um mit einem Maßband den Bohrfortschritt zu messen. Dann streckte er sich erneut und trat auf den Gang heraus, direkt auf Anna zu. In ihrer plötzlichen Angst, entdeckt zu werden, wich sie rasch etwas zurück. Als der Mann schließlich um die Ecke bog, griff sie aufgeregt nach dem Schnürsenkel an ihrem Hals und zog mit zittrigen Fingern zweimal kräftig daran.
Rapp und Adams hatten die ersten zehn Minuten gespannt auf das Signal gewartet. Adams hatte mit dem Seil in der Hand an der Öffnung gestanden, während Rapp oben an der Treppe verharrte, die MP-10 umgehängt und die schallgedämpfte Pistole in der linken Hand haltend. Nach zehn Minuten hatte Rapp jedoch beschlossen, dass sie die Zeit besser nützen konnten, als einfach nur herumzustehen und zu warten.
Er ging zu Adams hinüber, nahm ihm das Seil ab, forderte ihn auf, die Pläne noch einmal hervorzuholen und ließ sich von Adams erklären, wohin der Tunnel genau führte und was ihn am anderen Ende
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