Der Angstmacher
haben.«
Er nickte. »Sicher. Manche Erklärungen werden wir wohl nie finden. Auch wenn wir hundert Jahre alt sind.«
»So ist es.«
Suko hatte, ebenso wie ich, seine Beine auf den Schreibtisch gelegt. Eine entspannte Haltung, bei der man gut nachdenken konnte. Wenigstens wir beide. »John, sollte tatsächlich die Harfe direkt die Schuld am Tod der Frau getragen haben und sich Sally Saler in Germany bei diesem Festival aufhalten, kann es dort gefährlich werden.«
»Nicht nur das, auch tödlich.« Ich räusperte mich. »Den Gesichtsausdruck der Toten werde ich nie vergessen können. So etwas von Angst in den Zügen eines Menschen habe ich noch nie gesehen.«
»Angst — wovor?«
»Wenn ich das wüßte. Vor einer Gestalt, vordem Alp, vor einem Monster, einem bösen Geist? Eigentlich käme alles in Frage, wenn dü es genau nimmst. Ich werde es herausfinden, hoffe ich.«
»Oder wir.«
»Mal sehen.« Ich stand auf und verließ das Büro. Auf dem Gang stand ein Automat. Kaffee wollte ich nicht trinken und entschied mich für Mineralwasser.
Im Büro trank ich den Becher leer. Mallmann hatte noch nicht zurückgerufen. Er würde jetzt wühlen. »Wo steckt eigentlich Glenda?« erkundigte ich mich.
»Sie ist mit Sir James weg, weil sie das Protokoll einer Sitzung aufnehmen soll.«
»Um was geht es dabei?«
»No Ahnung.«
Das Telefon meldete sich. Ich schnappte den Hörer und hörte ein Stöhnen. Ein Monster war es nicht, sondern Will Mallmann. »Du kannst mit deinen Wünschen einen deutschen Beamten ganz schön auf die Palme bringen, sage ich dir.«
»Sei ein guter Freund, Will. Ich werde mich auch mit meinen Kommentaren, was deinen Wagen angeht, zurückhalten.«
»Das will ich auch meinen, sonst sage ich gar nichts.«
»Aber du hast etwas herausgefunden?«
»Ja. Es gibt dieses Festival in der Nähe von Köln. Das findet statt in Kommern.«
»Hä?«
»Kennst du nicht, wie?«
»Nein.«
»Ist fast schon eine Bildungslücke.« Suko, der über einen Zweithörer miliauschte, schüttelte ebenfalls den Kopf. »Kommern liegt am Rande der Eifel, einem Mittelgebirge, das sich südwestlich von Köln hinzieht und ein wunderschönes Stück Land ist. Kommern ist berühmt für sein rheinisches Freilichtmuseum. Dort kannst du dich in einem großen Gelände bewegen, dir Ausstellungen ansehen und auch in Häuser hineingehen, die ein paar Jahrhunderte alt sind. Alles ist gut erhalten. Vergangenheit und Gegenwart treffen sich in dem Ort, dessen Gebäude aus vielen Orten zusammengetragen wurden.«
»Da findet das Festival statt?«
»Genau. Junge Leute aus ganz Furopa haben sich zusammengefunden, um dort zu musizieren.«
»Nachwuchskünstler also?«
»So ähnlich.«
»Dann war die Spur nicht falsch«, murmelte ich.
Will Mallmann hatte mich trotz der leisen Stimme verstanden. »Heißt das, daß du kommen willst?«
»Richtig.«
»Das ist nicht gut. Ich kann dich leider nicht begleiten, weil ich morgen dienstlich nach München muß.«
»Das macht nichts, Alter. Ich komme schon allein zu recht.«
»Wie du meinst, John. Der Ort ist leicht zu erreichen. Du fliegst bis Köln und nimmst dir dort einen Leihwagen. Der Rest ist dann Routine.«
»Sag mir noch, wie stark die Gruppe der jungen Leute ist und wo man sie untergebracht hat?«
»Die erste Frage kann ich dir nicht beantworten. Aber die Gruppe wohnt auf dem Gelände des Freilichtmuseums.«
»Danke.«
»Soll ich dir den Weg ebnen?«
»Nein, das wird nicht nötig sein. Ich schaffe es auch allein.«
»Laß trotzdem etwas von dir hören.«
»Mach' ich.«
»Und Gruß an Suko.«
Ich unterbrach die Verbindung und lehnte mich zurück. Suko schaute mir ins Gesicht. »Du willst also hin?«
»Ja.«
»Allein?«
»Da soll Sir James entscheiden. Hast du den Interesse daran, mitzukommen?«
»Nicht unbedingt«, erwiderte mein Freund. »Festivals haben mich noch nie besonders interessiert. Außerdem brennt es nicht so lichterlohl. Wer weiß, was hier noch anläuft.«
»Okay, dann fliege ich allein.«
»Und wann?«
»Morgen.«
Suko nickte. »Noch scheint nichts passiert zu sein bei diesem komischen Festival. Mallmann hat nichts dergleichen gesagt. Wie die Ruhe vor dem Sturm.«
»Ja, das meine ich auch.«
»Dann kann man dir nur wünschen, daß es so bleibt.«
Ich war mißtrauisch. »Meinst du das ehrlich?«
Suko grinste. »Immer…«
»Wer's glaubt, wird selig.«
***
Sally Saler umarmte ihre Harfe wie einen Geliebten. Sie strich nicht über die Saiten und ließ ihre
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