Der Anschlag - King, S: Anschlag
würden erst Mitte nächsten Jahres von Bord der SS Maasdam gehen und amerikanischen Boden betreten. Und was Texas betraf …
»Mims, das Schuljahr endet meist in der ersten Juniwoche, nicht wahr?«
»Immer. Die Schüler, die Sommerjobs brauchen, müssen sie sich rechtzeitig sichern.«
… was Texas betraf, würde Oswald dort erst am 14. Juni 1962 ankommen.
»Und jede Anstellung wäre zur Probe, stimmt’s? Erst einmal für ein Jahr?«
»Mit der Option auf Vertragsverlängerung, wenn alle Beteiligten zufrieden sind, ja.«
»Dann haben Sie jetzt einen Englischlehrer auf Probe.«
Sie lachte, klatschte in die Hände, stand auf und breitete die Arme aus. »Wunderbar! Küsschen für Miz Mimi!«
Ich umarmte sie, ließ sie aber sofort wieder los, als ich sie keuchen hörte. »Was zum Teufel fehlt Ihnen, Ma’am?«
Sie setzte sich wieder, griff nach ihrem Glas und trank einen Schluck Eiskaffee. »Ich will Ihnen zwei Ratschläge geben, George. Erstens: Nennen Sie keine Texanerin Ma’am, wenn Sie aus dem Norden stammen. Das klingt immer sarkastisch. Und zweitens: Fragen Sie niemals irgendeine Frau, was zum Teufel mit ihr los ist. Versuchen Sie’s mit etwas Subtilerem wie: ›Fühlen Sie sich auch wohl?‹«
»Tun Sie das?«
»Wieso nicht? Ich werde schließlich heiraten.«
Anfangs konnte ich mir keinen Reim auf diese überraschende Mitteilung machen. Nur zeigte ihr Blick, dass sie damit eine bestimmte Absicht verfolgte. Sie strich um irgendwas herum wie eine Katze um den heißen Brei. Vermutlich um etwas nicht allzu Nettes.
»Sagen Sie ›Glückwunsch, Miz Mimi‹.«
»Glückwunsch, Miz Mimi.«
»Den ersten Antrag hat Deke mir schon vor fast einem Jahr gemacht. Ich habe abgelehnt und ihm erklärt, dass es zu nah am Tod seiner Frau war und die Leute sich nur das Maul über uns zerreißen würden. Im Lauf der Zeit ist das als Argument weniger effektiv geworden. Wegen unseres Alters bezweifle ich ohnehin, dass es viel Klatsch gegeben hätte. In Kleinstädten verstehen die Leute, dass Paare wie Deke und ich sich den Luxus von Schicklichkeit nicht mehr so gut leisten können, sobald sie einen gewissen, sagen wir mal, Reifegrad erreicht haben. Tatsächlich hat mir der Status quo recht gut gefallen. Der alte Bursche liebt mich viel mehr, als ich ihn liebe, aber ich mag ihn sehr, und – auf die Gefahr hin, Sie verlegen zu machen – sogar Damen, die einen gewissen Reifegrad erreicht haben, haben nichts gegen eine nette Bumsrunde am Samstagabend. Habe ich Sie verlegen gemacht?«
»Nein«, sagte ich. »Eigentlich entzücken Sie mich.«
Wieder das trockene Lächeln. »Wundervoll. Mein erster Gedanke morgens beim Aufstehen lautet nämlich: Gibt es eine Möglichkeit, heute George Amberson zu entzücken? Und falls ja, wie?«
»Überziehen Sie Ihr Mandat nicht, Miz Mimi.«
»Wie ein Mann gesprochen.« Sie trank einen Schluck Eiskaffee. »Als ich heute hergekommen bin, hatte ich zwei Ziele. Das erste habe ich erreicht. Jetzt will ich mit dem zweiten weitermachen, damit Sie den Rest des Tages für sich haben. Deke und ich werden am 21. Juni heiraten, das ist ein Freitag. Die Zeremonie findet in kleinstem Kreis in seinem Haus statt – nur wir, der Geistliche und ein paar Angehörige. Seine Eltern – für Dinosaurier sind sie noch erstaunlich fit – kommen aus Alabama, meine Schwester aus San Diego. Der Empfang findet am Tag darauf als Gartenparty in meinem Haus statt. Ab vierzehn Uhr, bis alle abgefüllt sind. Wir laden praktisch die ganze Stadt ein. Für die kleinen Racker gibt es eine piñata und Limonade, für die großen Racker Grillfleisch und Fassbier und sogar eine Band aus San Antone. Im Gegensatz zu den meisten Bands aus San Antone kann diese außer ›Louie Louie‹ auch ›La Paloma‹ spielen, glaube ich. Wenn Sie uns nicht die Ehre geben …«
»Dann würde Ihnen was fehlen?«
»In der Tat. Reservieren Sie den Samstag für uns?«
»Unbedingt.«
»Gut. Deke und ich reisen am Sonntag nach Mexiko ab, wenn sein Kater sich verflüchtigt hat. Für Flitterwochen sind wir ein bisschen zu alt, aber südlich der Grenze sind bestimmte Therapien verfügbar, die im Sixgun State nicht zu bekommen sind. Bestimmte experimentelle Behandlungen. Ich bezweifle, dass sie anschlagen werden, aber Deke ist hoffnungsvoll. Und zum Teufel, schließlich ist es einen Versuch wert. Das Leben …« Sie seufzte bedauernd. »Das Leben ist zu schön, als dass man es kampflos aufgeben sollte, finden Sie nicht auch?«
»Ja«, sagte
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