Der Anschlag - King, S: Anschlag
gewiss«, sagte sie freundlich.
»Noch etwas«, sagte ich. »Sadies Ehe war problematisch. Ihr Mann hat sonderbare Eigenarten, die ich nicht erörtern möchte. Er heißt John Clayton. Ich denke, er könnte gefährlich sein. Sie sollten Sadie fragen, ob sie ein Foto von ihm hat, damit Sie wissen, wie er aussieht, falls er hier aufkreuzt und anfängt, Fragen zu stellen.«
»Und das denken Sie, weil …?«
»Weil ich schon einmal etwas Ähnliches erlebt habe. Genügt das?«
»Es wird genügen müssen, nicht wahr?«
Das war keine befriedigende Amtwort. »Fragen Sie sie?«
»Ja, George.« Vielleicht meinte sie es ernst; vielleicht wollte sie mich bloß abwimmeln. Das konnte ich nicht beurteilen.
Ich war schon an der Tür, als sie ganz beiläufig sagte: »Sie brechen dieser jungen Frau das Herz.«
»Ich weiß«, sagte ich und ging.
2
Mercedes Street. Ende Mai.
»Sie sind Schweißer, was?«
Ich stand mit dem Hausbesitzer, einem guten Amerikaner namens Mr. Jay Baker, auf der Veranda von Nummer 2706. Er war stämmig und hatte einen Riesenwanst, von dem er behauptete, Shiner-Bier habe ihn so schön geformt. Wir hatten eben einen kurzen Rundgang durch das Haus gemacht, das nach Bakers Erklärung gleich neben der Bushaltestelle liege, als ob diese Tatsache die durchhängenden Decken, die wasserfleckigen Wände, den gesprungenen Wasserbehälter im Klo und den allgemein verwahrlosten Zustand aufwiegen würde.
»Nachtwächter«, sagte ich.
»O wirklich? Das ist ein guter Job. Mit reichlich Zeit zum Rumhängen.«
Das schien mir keine Antwort zu erfordern.
»Keine Frau oder Blagen?«
»Geschieden. Die sind an der Ostküste.«
»Müssen Alimente zahlen, was?«
Ich zuckte die Achseln.
Er wechselte das Thema. »Also, wollen Sie das Haus, Mr. Amberson?«
»Ich denke schon«, sagte ich seufzend.
Er zog ein längliches Mietbuch mit weichem Lederumschlag aus der Gesäßtasche. »Zwei Monatsmieten, als Anzahlung und Kaution für Schäden.«
»Kaution für Schäden? Soll das ein Witz sein?«
Baker sprach weiter, als hätte er mich nicht gehört. »Die Miete ist jeweils am letzten Freitag des Monats fällig. Wenn Sie zu wenig oder zu spät zahlen, landen Sie auf der Straße – dafür sorgt die Polizei in Fort Worth. Die und ich kommen richtig gut miteinander aus.«
Er holte einen angekohlten Zigarrenstummel aus der Brusttasche seines Hemds, nahm das abgekaute Ende zwischen die Lippen und schnippte mit dem Daumennagel ein Streichholz an. Auf der Veranda war es heiß. Ich hatte das Gefühl, dass mir ein langer, heißer Sommer bevorstand.
Ich seufzte abermals. Dann zog ich mit gespieltem Widerstreben die Geldbörse heraus und begann Zwanzigdollarscheine abzuzählen. »In God we trust«, sagte ich. »Alle anderen zahlen bar.«
Baker lachte und stieß dabei beißenden blauen Rauch aus. »Der ist gut, den merk ich mir. Speziell für den letzten Freitag im Monat.«
Ich konnte nicht glauben, dass ich in dieser Bruchbude und in dieser elenden Straße wohnen würde – und das nach meinem hübschen Haus südlich von hier, wo ich so stolz auf den gepflegten Rasen gewesen war, den ich stets rechtzeitig gemäht hatte. Obwohl ich Jodie noch nicht richtig verlassen hatte, überflutete mich eine Woge von Heimweh.
»Geben Sie mir bitte eine Quittung«, sagte ich.
Wenigstens die bekam ich umsonst.
3
Der letzte Schultag war da. Die Flure und Klassenzimmer waren verwaist. Die Deckenventilatoren quirlten Luft, die bereits heiß war, obwohl es erst der 8. Juni war. Die Familie Oswald hatte Russland verlassen; in weiteren fünf Tagen, so stand es in Al Templetons Notizen, würde die SS Maasdam in Hoboken anlegen, wo die Oswalds die Gangway hinuntergehen und amerikanischen Boden betreten würden.
Im Lehrerzimmer saß nur noch Danny Laverty. »He, Champ. Wie ich höre, verschwindest du nach Dallas, um deinen Roman fertig zu schreiben.«
»Das ist der Plan.« Tatsächlich sah der Plan, wenigstens für den Anfang, Fort Worth vor. Ich räumte mein Fach aus, das mit der zum Ende des Schuljahrs üblichen Flut von Rundschreiben vollgestopft war.
»Wäre ich frei und ungebunden statt mit einer Frau, drei kleinen Hosenscheißern und einer Hypothek belastet, würde ich’s vielleicht auch mit ’nem Buch versuchen«, sagte Danny. »Ich war im Krieg, weißt du.«
Das wusste ich. Das erfuhr jeder, meistens innerhalb von zehn Minuten nach dem Kennenlernen.
»Hast du genug, um davon leben zu können?«
»Ich komme schon zurecht.«
Ich hatte
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