Der Anschlag - King, S: Anschlag
noch ein uns ergibt. Es wäre schon hilfreich, wenn du mir verraten könntest, wozu du nach Texas gekommen bist. Ich weiß nämlich, dass du nicht hier bist, um zu unterrichten oder ein Buch zu schreiben.«
»Dir das zu erzählen könnte gefährlich sein.«
»Wir sind alle in Gefahr«, sagte sie. »Damit hat Johnny recht. Soll ich dir was erzählen, was Roger mir gesagt hat?«
»Wenn du willst.« (Wo genau hat er es dir erzählt, Sadie? Und wart ihr dabei in senkrechter oder waagerechter Lage?)
»Er hatte ein bisschen getrunken und war deshalb redselig. Wir waren in seinem Hotelzimmer, aber keine Angst, meine Füße sind auf dem Teppich und meine Sachen am Körper geblieben.«
»Ich hatte keine Angst.«
»Wenn das stimmt, bin ich von dir enttäuscht.«
»Also gut, natürlich hatte ich Angst davor. Was hat er gesagt?«
»Er hat von dem Gerücht gesprochen, dass sich im Herbst oder Winter in der Karibik etwas Großes ereignen wird. In einem Spannungsgebiet, hat er gesagt. Ich vermute, er meinte Kuba. Er hat gesagt: ›Dieser Idiot Kennedy reitet uns alle rein, nur um zu zeigen, dass er Mumm hat.‹«
Ich erinnerte mich an all den Weltuntergangsscheiß, mit dem ihr Exmann ihr die Ohren vollgeblasen hatte. Das kann jeder kommen sehen, der Zeitung liest, hatte er ihr verkündet. Wir werden mit Geschwüren am ganzen Körper sterben und uns die Lunge aus dem Leib husten. Solches Zeug machte Eindruck, vor allem wenn es mit nüchterner wissenschaftlicher Gewissheit verkündet wurde. Es machte Eindruck? Eher hinterließ es eine Narbe.
»Sadie, das ist Schwachsinn.«
»Echt?« Sie klang gereizt. »Du besitzt wahrscheinlich Insiderinformationen, die Senator Kuchel nicht hat, ja?«
»Sagen wir mal, dass dem so ist.«
»Sagen wir’s lieber nicht. Eine Weile warte ich noch darauf, dass du endlich reinen Tisch machst, aber nicht mehr sehr viel länger. Vielleicht nur, weil du ein guter Tänzer bist.«
»Dann lass uns tanzen gehen!«, sagte ich etwas ungestüm.
»Gute Nacht, George.«
Und bevor ich noch etwas sagen konnte, legte sie auf.
15
Ich wollte sie zurückrufen, aber als die Telefonistin »Nummer, bitte?« sagte, gewann meine Vernunft wieder die Oberhand. Wortlos legte ich den Hörer auf die Gabel zurück. Sadie hatte gesagt, was sie hatte sagen müssen. Jeder Versuch, sie dazu zu bringen, mehr zu sagen, würde alles nur noch verschlimmern.
Ich versuchte mir einzureden, dass ihr Anruf nur eine List gewesen war, um mich aus der Reserve zu locken – eine Aufforderung à la Sprich für dich selbst, John Alden. Aber das funktionierte nicht, weil dies nicht Sadies Art war. Er hatte mehr wie ein Hilferuf geklungen.
Ich griff erneut nach dem Hörer, und als die Telefonistin diesmal eine Nummer verlangte, gab ich ihr eine. Das Telefon am anderen Ende klingelte zweimal, dann sagte Ellen Dockerty: »Ja? Wer ist da, bitte?«
»Hi, Miz Ellie. Ich bin’s. George.«
Die Angewohnheit, eine Pause zu machen, schien ansteckend zu sein. Ich wartete. Dann sagte sie: »Hallo, George. Ich habe Sie vernachlässigt, was? Ich bin nur sehr …«
»Beschäftigt gewesen, klar. Ich weiß, wie es in den ersten Wochen zugeht, Ellie. Ich rufe nur an, weil Sadie mich gerade angerufen hat.«
»Ehrlich?« Sie klang sehr verhalten.
»Falls Sie ihr gesagt haben, dass meine Nummer zu Fort Worth statt zu Dallas gehört, ist das in Ordnung.«
»Ich habe nicht getratscht. Das verstehen Sie hoffentlich. Ich dachte, sie hätte ein Recht darauf, das zu erfahren. Sadie liegt mir am Herzen. Sie mag ich natürlich auch, George … aber Sie sind fort. Sadie nicht.«
Das verstand ich natürlich, aber es tat weh. Das Gefühl, in einer Raumkapsel zu den Tiefen des Weltalls unterwegs zu sein, kehrte zurück. »Schon in Ordnung, Ellie, und das war wirklich keine große Lüge. Ich rechne damit, dass ich bald nach Dallas umziehen werde.«
Keine Antwort, aber was hätte sie auch sagen sollen? Mag sein, aber wir wissen beide, dass Sie gern ein bisschen lügen?
»Mir hat nicht gefallen, wie sie sich angehört hat. Kommt sie Ihnen okay vor?«
»Ich weiß nicht, ob ich diese Frage beantworten möchte. Würde ich nein sagen, könnten Sie herbeigeeilt kommen, um sie zu sehen, und sie will Sie nicht sehen. Nicht beim jetzigen Stand der Dinge.«
Eigentlich hatte sie meine Frage damit beantwortet. »War sie okay, als sie zurückgekommen ist?«
»Mit ihr war alles in Ordnung. Sie hat sich gefreut, uns wiederzusehen.«
»Aber jetzt klingt sie beunruhigt und
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