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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf, vierzig Cent für die ersten drei Minuten einzuwerfen. Ich warf zwei Vierteldollarmünzen ein. Das Münztelefon quittierte das mit einem weichen Gong. Im Hintergrund konnte ich Kennedy weiter in seinem nasalen Neue nglandtonfall reden hören. Jetzt bezichtigte er den sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko der Lüge. Heute Abend nahm er kein Blatt vor den Mund.
    »Verbinde Sie jetzt, Sir«, sagte die Telefonistin. Dann fragte sie aufgeregt: »Hören Sie die Rede des Präsidenten? Sonst sollten Sie Ihren Fernseher oder Ihr Radio einschalten.«
    »Ich höre sie«, sagte ich. Das würde auch Sadie tun. Sadie, deren Exmann jede Menge apokalyptischen Scheiß abgesondert hatte, umhüllt mit sehr dünner wissenschaftlicher Glasur. Sadie, deren Yale-Abgänger und Politikerfreund ihr erzählt hatte, in der Karibik werde sich Großes ereignen. In einem Spannungsgebiet, vermutlich auf Kuba.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen würde, um sie zu beruhigen, aber das war kein Problem. Ihr Telefon klingelte und klingelte. Das gefiel mir nicht. Wo war sie um halb neun an einem Montagabend in Jodie? Vielleicht im Kino? Das glaubte ich nicht.
    »Sir, der Teilnehmer meldet sich nicht.«
    »Wie wahr«, sagte ich und verzog das Gesicht, als ich Oswalds Standardfloskel aus meinem Mund hörte.
    Als ich einhängte, fielen meine Quarter klappernd in die Münz rückgabe. Ich wollte sie wieder einwerfen, überlegte mir die Sache dann aber anders. Was hätte es genutzt, Miss Ellie anzurufen? Bei ihr stand ich jetzt auf der schwarzen Liste. Bei Deke vermutlich auch. Sie würden mich auffordern, mich um meinen eigenen Kram zu kümmern.
    Als ich an die Theke zurückkam, zeigte Walter Cronkite im Fernsehen gerade U-2 -Luftaufnahmen, die im Bau befindliche sowjetische Raketenbasen zeigten. Er sagte, dass viele Abgeordnete und Senatoren Kennedy zu Bombenangriffen oder zur sofortigen Besetzung Kubas drängten. Für die amerikanischen Raketenstützpunkte und den Strategic Air Command gelte erstmals die Verteidigungsstufe DEFCON-4 .
    »Amerikanische B-52 -Bomber werden bald dicht an den sowjetischen Grenzen kreisen«, sagte Cronkite mit seiner tiefen, bedeutungsvollen Stimme. »Und – das ist allen von uns klar, die über die vergangenen sieben Jahre dieses immer beängstigenderen Kalten Kriegs berichtet haben – die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler, einen potenziell katastrophalen Fehler, wächst mit jeder neuen Eskalation, die …«
    »Worauf wartet ihr denn noch?«, rief ein am Billardtisch stehender Mann. »Bombt die roten Schwanzlutscher endlich in die Steinzeit zurück!«
    Einige Stimmen protestierten gegen diese blutrünstige Äußerung, aber die gingen fast komplett in einer Beifallswoge unter. Ich verließ den Ivy Room und lief in die Neely Street zurück. Dort sprang ich in den Sunliner, um eilig nach Jodie zu fahren.
    8
    Während ich meinen Scheinwerfern hinterher den Highway 77 hinunterraste, brachte mein Autoradio, das wieder funktionierte, nichts als einen Haufen Untergangsstimmung. Sogar die DJ s hatte die Atomgrippe ereilt, und sie sagten Sachen wie »Gott segne Amerika« und »Haltet euer Pulver trocken«. Als der DJ von K-Life Johnny Hortons »The Battle Hymn of the Republic« jaulen ließ, stellte ich das Radio ab. Das alles erinnerte zu sehr an den Tag nach dem 11. September 2001.
    Ich ließ das Gaspedal durchgetreten, obwohl der Motor des Sunliners schon reichlich klapprig war und die Nadel der Kühlwasseranzeige sich dem roten Bereich näherte. Die Straßen waren praktisch menschenleer, und am Morgen des 23. bog ich um kurz nach halb eins in Sadies Einfahrt ein. Ihr gelber VW Käfer stand vor dem geschlossenen Garagentor, und im Erdgeschoss brannte Licht, aber auf mein Klingeln kam keine Reaktion. Ich ging um das Haus herum und hämmerte an die Küchentür – wieder erfolglos. Das Ganze gefiel mir immer weniger.
    Sadie hatte unter der Hintertreppe einen Reserveschlüssel versteckt. Ich angelte ihn hervor und schloss auf. Als Erstes schlug mir unverkennbarer Whiskygeruch entgegen. Und der abgestandene Rauch vieler Zigaretten.
    »Sadie?«
    Nichts. Ich ging durch die Küche ins Wohnzimmer. Auf dem niedrigen Couchtisch stand ein überquellender Aschenbecher, und eine Flüssigkeit hatte die dort liegenden Ausgaben der Zeit schriften Life und Look durchtränkt. Ich tauchte einen Finger hinein und roch daran. Scotch. Scheiße.
    »Sadie?«
    Jetzt konnte ich noch etwas riechen, an das ich mich von Christys letzten

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