Der Anschlag - King, S: Anschlag
Sie schwankte hin und her und schlug mich dabei etwas kräftiger ins Gesicht.
»Geh weg! Geh weg, Jor!«
»Nein, Ma’am.« Ich schlang einen Arm um ihre Taille und bugsierte sie halb schiebend, halb tragend zur Tür. Als wir in Richtung Bad abbogen, gaben ihre Knie nach. Also trug ich sie, was bei ihrem Gewicht und ihrer Größe keine leichte Übung war. Zum Glück half das Adrenalin mit. Ich schaffte es, sie auf die Toilette zu setzen, kurz bevor mir meine Knie den Dienst verweigerten. Ich rang keuchend nach Atem – teils vor Anstrengung, hauptsächlich aber vor Angst. Sie begann nach steuerbord abzukippen, und ich schlug sie auf den nackten Arm – klatsch.
»Bleib sitzen!«, schrie ich ihr ins Gesicht. »Bleib sitzen, Christy, gottverdammt noch mal!«
Sie öffnete mühsam die Augen, die schlimm blutunterlaufen waren. »Wer Christy?«
»Leadsängerin der Rolling Fucking Stones«, sagte ich. »Wie lange nimmst du schon Nembutal? Und wie viele hast du heute Abend geschluckt?«
»Hab ’n Ressep«, sagte sie. »Gehtich nichs an, Jor.«
»Wie viele? Wie viel hast du getrunken?«
»Geh weg.«
Ich drehte den Kaltwasserhahn der Wanne ganz auf und zog dann den Stift heraus, der auf Duschen umschaltete. Sie erriet, was ich vorhatte, und fing wieder an, nach mir zu schlagen.
»Nein, Jor! Nein!«
Ich beachtete sie nicht. Es war nicht das erste Mal, dass ich eine nur teilweise bekleidete Frau unter eine kalte Dusche verfrachtete, und manche Dinge waren eben wie Radfahren. Ich beförderte sie mit einem raschen Heber, den ich am nächsten Tag im Kreuz spüren würde, über den Wannenrand, und hielt sie dann fest, als sie unter dem kalten Wasser um sich zu schlagen begann. Sie griff laut kreischend nach dem Handtuchhalter. Die Augen hatte sie jetzt geöffnet. Auf ihren Haaren standen Wasserperlen. Der Unterrock wurde durchsichtig, und selbst unter diesen Umständen war es unmöglich, nicht für einen Moment Begierde zu verspüren, als ihre Kurven voll sichtbar wurden.
Sie versuchte aus der Wanne zu steigen. Ich stieß sie zurück.
»Bleib stehen, Sadie. Bleib stehen und halt’s aus.«
»W-wie lange? Es ist kalt! «
»Bis du nicht mehr so kreidebleich bist.«
»W-warum m-m-machst du das?« Ihre Zähne klapperten.
»Weil du dich fast ungebracht hättest!«, brüllte ich.
Sie zuckte zusammen. Dabei rutschte sie aus, aber sie bekam den Handtuchhalter zu fassen und blieb auf den Beinen. Ihre Reflexe erholten sich also. Gut.
»Die T-T-Tabletten haben nicht gewirkt, also hab ich einen Drink genommen, das ist alles. Lass mich raus, mir ist so kalt! Bitte, G-George, bitte lass mich raus.« Ihre Haare klebten jetzt förmlich an ihren Wagen. Sie sah wie eine ersäufte Ratte aus, hatte aber tatsächlich wieder Farbe bekommen. Zwar nur einen rosa Schimmer, aber immerhin ein Anfang.
Ich stellte die Dusche ab, umarmte Sadie und stützte sie, während sie unsicher über den Wannenrand stieg. Aus ihrem klatschnassen Unterkleid tropfte Wasser auf die rosa Badematte. Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Ich dachte, du wärst tot. Als ich reingekommen bin und dich dort liegen sehen hab, dachte ich schon, du wärst tot. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm das war.«
Ich ließ sie los. Sie starrte mich mit großen, verwundert blickenden Augen an. Dann sagte sie: »John hat recht gehabt. R-Roger auch. Er hat mich heute Abend vor Kennedys Rede angerufen. Aus Washington. Was ist überhaupt noch wichtig? Nächste Woche um diese Zeit sind wir alle tot. Oder werden uns wünschen, es zu sein.«
Anfangs hatte ich keine Ahnung, wovon sie redete. Ich sah Christy vor mir stehen – zerzaust und tropfnass und Unsinn brabbelnd – und war fuchsteufelswild. Du feige Schlampe!, dachte ich. Sie musste das wohl in meinem Blick gelesen haben, jedenfalls wich sie vor mir zurück.
Das brachte mich wieder zur Besinnung. Wie konnte ich sie feige nennen, nur weil ich wusste, wie die Landschaft hinter dem Horizont aussah?
Ich nahm ein Badetuch aus dem Regal über der Toilette und gab es hier. »Ausziehen und abtrocknen«, sagte ich.
»Dann geh raus! Lass mir meine Privatsphäre.«
»Aber nur, wenn du mir sagst, dass du wach bist.«
»Ich bin wach.« Sie betrachtete mich mit mürrischer Feindseligkeit und – möglicherweise – einem Anflug von Humor. »Du verstehst dich auf große Auftritte, George.«
Ich drehte mich nach dem Medizinschränkchen um.
»Mehr sind nicht da«, sagte sie. »Was nicht in mir ist, liegt im Klo.«
Weil ich vier
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