Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dürfte viel näher an Ihnen dran sein, lautet das Verkaufsargument.
    »… sich mit Ihnen anzulegen, dürfte Ihnen beträchtlich näher sein, hab ich nicht recht?«
    Mein erster Impuls, nur um diesen Eindruck von klingender, aber leicht misstönender Harmonie zu durchbrechen, war, nach einer anderen Waffe zu verlangen, vielleicht einem .45er. Aber die Harmonie zu durchbrechen war vielleicht keine gute Idee. Wer wusste das schon? Dagegen wusste ich, dass der .38er, den ich in Derry gekauft hatte, einwandfrei funktioniert hatte.
    »Wie viel?«
    »Sie können ihn für zwölf haben.«
    Zwei Dollar mehr, als ich in Derry bezahlt hatte, aber das lag natürlich viereinhalb Jahre zurück. Inflationsbereinigt schienen zwölf in Ordnung zu sein. Ich forderte ihn auf, eine Schachtel Munition draufzulegen, dann sei der Handel perfekt.
    Als der Pfandleiher sah, wie ich den Revolver und die Munition in der für diesen Zweck mitgebrachten Aktentasche verstaute, sagte er: »Warum lassen Sie mich Ihnen kein Halfter verkaufen, mein Sohn? Sie sind der Sprache nach nicht von hier und wissen’s vielleicht nicht, aber in Texas können Sie legal eine Waffe tragen, wenn Sie nicht vorbestraft sind. Sind Sie vorbestraft?«
    »Nein, aber ich erwarte nicht, am helllichten Tag überfallen zu werden.«
    Der andere lächelte finster. »Auf der Greenville Avenue weiß man nie, was passieren wird. Vor ein paar Jahren hat sich hier in der Nähe ein Mann auf offener Straße den halben Kopf weggepustet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, Sir, vor einer Bar, dem Desert Rose. ’türlich wegen ’ner Frau. Ist doch logisch, oder?«
    »Kann sein«, sagte ich. »Aber manchmal gibt’s auch Streit um Politik.«
    »Na, na, letztlich steckt immer ’ne Frau dahinter, mein Sohn.«
    Ich hatte einen Parkplatz vier Straßen westlich des Leihhauses gefunden, und um zu meinem neuen (zumindest für mich neuen) Auto zurückzukommen, musste ich am Wettbüro Faith Financial vorbeigehen, wo ich im Herbst 1960 auf die Miracle Pirates gewet tet hatte. Der Buchmacher, der mir die zwölfhundert Dollar ausbezahlt hatte, stand rauchend vor dem Eingang. Er trug wieder den grünen Augenschirm. Sein Blick glitt über mich hinweg, aber dem Anschein nach desinteressiert und ohne mich zu erkennen.
    2
    Das war am Freitagnachmittag, und ich fuhr von der Greenville Avenue direkt nach Kileen, wo Sadie sich in den Candlewood Bungalows mit mir traf. Wir verbrachten die Nacht dort, wie wir es in jenem Winter oft taten. Am nächsten Tag fuhr sie nach Jodie zurück, wo ich sie am Sonntag in die Kirche begleitete. Als wir nach dem Segen die Hände aller Umstehenden schüttelten und »Friede sei mit Ihnen« sagten, kehrten meine Gedanken – nicht mit gutem Gewissen – zu dem inzwischen im Kofferraum meines Wagens verstauten Revolver zurück.
    Beim sonntäglichen Mittagessen fragte Sadie: »Wie lange noch? Bis du tust, was du tun musst?«
    »Wenn alles so klappt, wie ich hoffe, nicht viel länger als einen Monat.«
    »Und wenn nicht?«
    Ich fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare und trat ans Fenster. »Dann weiß ich es nicht. Möchtest du sonst noch was wissen?«
    »Ja«, sagte sie ruhig. »Als Nachtisch gibt es Kirschkuchen. Möchtest du Schlagsahne auf deine?«
    »Sehr gern«, sagte ich. »Ich liebe dich, Schatz.«
    »Das will ich hoffen«, sagte sie und stand auf, um die Nach speise zu holen. »Ich stehe bei der Sache nämlich ziemlich allein auf weiter Flur .«
    Ich blieb am Fenster. Ein Wagen – ein oldie but a goodie, wie die DJ s von K-Life sagen würden – rollte langsam die Straße hinunter, und ich meinte wieder den harmonischen Glockenklang zu hören. Aber das meinte ich in letzter Zeit häufig, und oft steckte nichts dahinter. Dabei fiel mir einer von Christys AA -Slogans ein: FEAR – false evidence appearing real. Falsche Anzeichen, die real erscheinen.
    Diesmal rastete jedoch eine Assoziation mit hörbarem Klick ein. Der Wagen war ein weiß-roter Plymouth Fury, wie ich ihn auf dem Werksparkplatz der Worumbo-Weberei gesehen hatte – nicht weit von dem Trockenschuppen entfernt, bei dem sich der Kaninchenbau ins Jahr 1958 befand. Ich erinnerte mich daran, den Kofferraumdeckel berührt zu haben, um mich zu vergewissern, dass er real war. Dieser Wagen hier war nicht in Maine, sondern in Arkansas zugelassen, aber trotzdem … der Glockenklang. Dieses harmonische Klingen. Manchmal hatte ich das Gefühl, wenn ich nur wüsste, was der Glockenklang bedeutete, wüsste ich alles.

Weitere Kostenlose Bücher