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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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arbeite, von dem aus man die Autokolonne des Präsidenten am Freitag gut sehen könne. Und ich sagte, dass er seinen Logenplatz hoffentlich mit mir teilen werde.
    »Scheiß-Kennedy!«, schrie Merritt fast. » Der ist todsicher ein Kommanist! Auf den Hundesohn sollte man schießen, bis er sich nicht mehr rührt!«
    »Schönen Tag noch«, sagte ich und öffnete die Haustür.
    Er ging, aber das machte ihm offenbar zu schaffen. Er war es gewohnt, dass Mieter vor ihm buckelten und kuschten. Auf dem rissigen, abbröckelnden Betonplattenweg drehte er sich noch einmal um. »Sie lassen das Haus so hübsch zurück, wie Sie’s vorgefunden haben, ist das klar?«
    Ich sah mich im Wohnzimmer mit dem schimmeligen Teppich, dem rissigen Verputz und dem Sessel mit dem wackeligen Rücken um. »Gar kein Problem«, sagte ich.
    Dann setzte ich mich und bemühte mich, wieder mit den Geistern zu kommunizieren: Lee und Marina, Marguerite und de Mohrenschildt. Es kam nicht dazu, weil ich wieder einen meiner Schlafanfälle hatte . Als ich aufwachte, ordnete ich den Singsang, den ich hörte, zunächst einem verblassenden Traum zu.
    »Charlie Chaplin went to FRANCE! Just to see the ladies DANCE! «
    Die Stimmen waren noch zu hören, als ich die Augen öffnete. Ich trat ans Fenster und sah hinaus. Die Springseilmädchen waren etwas älter und größer, aber sie waren es tatsächlich, das Teuflische Trio. Das mittlere Mädchen hatte rote Flecken im Gesicht, obwohl sie für Adoleszenzakne noch mindestens vier Jahre zu jung war. Vielleicht hatte sie die Röteln.
    »Salute to the Cap’n!«
    »Salute to the Queen«, murmelte ich und ging ins Bad, um mir das Gesicht zu waschen. Das stoßweise aus dem Hahn kommende Wasser war rostig, aber kalt genug, um mich ganz aufzuwecken. Ich hatte meine kaputte Uhr durch eine billige Timex ersetzt, auf der es halb drei war. Ich war nicht hungrig, aber ich musste etwas essen, also fuhr ich zu Mr. Lee’s Bar -B-Q . Auf der Rückfahrt ging ich in einen Drugstore, um noch eine Packung Kopfschmerzpulver zu kaufen. Außerdem nahm ich zwei Taschenbücher von John D. MacDonald mit.
    Die Springseilmädchen waren fort. Auf der sonst so lauten Mercedes Street war es eigenartig still. Wie im Theater, bevor der Vorhang sich zum letzten Akt hebt, dachte ich. Ich ging hinein, um mein Essen zu verzehren, aber obwohl die Spareribs würzig und zart waren, warf ich schließlich das meiste weg.
    18
    Ich versuchte im Elternschlafzimmer zu schlafen, aber dort waren die Geister von Lee und Marina zu lebendig. Kurz vor Mitternacht zog ich in das kleinere Schlafzimmer um. Rosette Templetons Kreidemädchen waren noch an den Wänden, und irgendwie fand ich die identischen Trägerkleider (Tannengrün musste Rosettes Lieblingsfarbe sein) und ihre großen, schwarzen Schuhe beruhigend. Ich stellte mir vor, wie Sadie über sie lächeln würde, vor allem über die mit dem Krönchen einer Miss America.
    »Ich liebe dich, Schatz«, sagte ich und schlief ein.
    19
    21. 11. 63 (Donnerstag)
    Auf ein Frühstück hatte ich nicht mehr Appetit als auf das Abendessen tags zuvor, aber gegen elf Uhr brauchte ich dringend Kaffee. Zwei, drei Liter kamen mir genau richtig vor. Ich schnappte mir einen meiner neuen Taschenbuchromane – Der letzte Ausweg war der Titel – und fuhr zum Happy Egg am Braddock Highway. Der Fernseher hinter der Theke lief, und ich sah einen Bericht über Kennedys bevorstehende Ankunft in San Antonio, wo Lyndon und Lady Bird Johnson ihn begrüßen würden. Ebenfalls im Empfangskomitee: Gouverneur John Connally und seine Frau Nellie.
    Zu Filmaufnahmen von der Andrews Air Force Base in Washington, die Kennedy und seine Frau auf dem Weg zur blau-weißen Präsidentenmaschine auf dem Vorfeld zeigten, sprach eine Korrespondentin in einem Ton, als würde sie sich gleich in die Hose machen, über Jackies neue »sanfte« Frisur, die eine »kesse, schwarze Baskenmütze« unterstrich, und die schlichte Eleganz ihres »zweiteiligen Hemdkleids mit Gürtel von Oleg Cassini, ihrem of fiziellen Modeschöpfer«. Das mochte Cassini sein, aber ich wusste, dass Mrs. Kennedy auch ein von Coco Chanel entworfenes Kostüm im Gepäck hatte. Zu dem rosa Wollkostüm mit schwarzem Kragen gehörte als i-Tüpfelchen natürlich ein rosa Pillbox-Hütchen. Das Kostüm würde gut zu den Rosen passen, die sie bald auf dem Flughafen Love Field überreicht bekam; nicht so gut zu dem Blut, das auf ihren Rock und ihre Strümpfe und Schuhe spritzen würde.
    20
    Ich fuhr in

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