Der Anschlag - King, S: Anschlag
feststellen musste, dass ich aus dem Eden Fallows verschwunden war. Deke ebenso. Also hat er die Polizei angerufen. Nicht nur einmal, sondern mehrmals. Bei jedem Anruf hat der Beamte, den er jeweils erreicht hat, ihn aufgefordert, keinen Unsinn zu erzählen, und aufgelegt. Ich weiß nicht, ob jemand sich die Mühe gemacht hat, diese Anrufe zu protokollieren, aber Deke kann Ihnen sagen, wo er überall angerufen hat, und er hat keinen Grund zu lügen.«
Diesmal lief Fritz rot an. »Wenn Sie wüssten, wie viele Morddrohungen bei uns eingegangen sind …«
»Ja, natürlich. Und Sie haben nur soundso viel Leute. Erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sadie noch leben würde, wenn wir die Polizei angerufen hätten. Das will ich nicht von Ihnen hören, ja?«
Er schwieg.
»Wie hat sie Sie gefunden?«, fragte Hosty.
Das war etwas, bei dem ich nicht zu lügen brauchte, also tat ich es auch nicht. Als Nächstes würden sie jedoch nach unserer Fahrt von der Mercedes Street in Fort Worth zum Texas School Book Depository in Dallas fragen. Dieser Teil meiner Geschichte enthielt die meisten Fallstricke. Der Studebaker-Cowboy machte mir keine Sorgen; Sadie hatte ihn verletzt – aber erst nachdem er versucht hatte, ihr die Umhängetasche zu stehlen. Sein Auto war ein Wrack, und ich vermutete, dass der Cowboy es nicht mal als gestohlen melden würde. Natürlich hatten wir ein weiteres Auto gestohlen, aber angesichts der Dringlichkeit unserer Rettungsmission würde die Polizei diesen Fall bestimmt nicht weiterverfolgen. Sie würde von den Medien scharf kritisiert werden, sollte sie das versuchen. Wirklich Sorgen machte mir der rote Chevrolet, der mit den Heckflossen, die an die Augenbrauen einer F rau erinnerten. Das Gepäck im Kofferraum ließ sich wegerklären; wir hatten schon früher Liebeswochenenden in den Candlewood Bungalows verbracht. Aber wenn die Ermittler Al Templetons Notizbuch auswerteten … daran mochte ich nicht einmal denken.
Jemand klopfte kurz an die Tür des Vernehmungsraums, und einer der Beamten, die mich aufs Polizeirevier gebracht hatten, steckte den Kopf herein. Am Steuer des Streifenwagens und später, während sein Partner mein persönliches Eigentum aufgenommen hatte, hatte er mit seiner steinernen Miene gefährlich gewirkt, ein Bulle direkt aus einem Kriminalfilm. Jetzt, unsicher und mit vor Aufregung hervorquellenden Augen, war zu erkennen, dass er nicht älter als dreiundzwanzig war und noch mit den Über resten einer Jugendakne kämpfte. Hinter ihm waren eine Menge Leute zu sehen – teils in Uniform, teils in Zivil –, die sich den Hals verrenkten, um einen Blick auf mich zu erhaschen. Fritz und Hosty wandten sich dem Eindringling ungeduldig zu.
»Meine Herren, tut mir leid, dass ich Sie unterbrechen muss, aber Mr. Amberson hat einen Anruf.«
Hostys Hängebacken liefen wieder rot an. »Mein Sohn, wir sind hier bei einer Vernehmung. Mir wär’s egal, selbst wenn der Präsident der Vereinigten Staaten anriefe.«
Der Beamte schluckte. Sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab wie ein Affe an einer Kletterstange. »Äh, Sir … es ist der Präsident der Vereinigten Staaten.«
Anscheinend war es ihm dann doch nicht so egal.
7
Sie führten mich den Flur entlang zu Chief Currys Dienstzimmer. Fritz hielt mich unter einem Arm gefasst, Hosty unter dem anderen. Weil sie fünfundzwanzig bis dreißig Kilo meines Gewichts trugen, hinkte ich nur wenig. Umringt waren wir von Reportern, Fernsehkameras und riesigen Scheinwerfern, die die Temperatur auf bestimmt über 35 Grad brachten. Diese Leute – nur eine Stufe über Paparazzi – hatten im Kielwasser eines Attentatsversuchs nichts auf einem Polizeirevier verloren, aber mich überraschte ihre Anwesenheit nicht. Entlang einem anderen Zeitstrahl hatten sie sich nach Oswalds Verhaftung hereingedrängt, und niemand hatte sie hinausgeworfen. Meines Wissens hatte niemand das auch nur versucht.
Hosty und Fritz bahnten sich mit steinernen Mienen einen Weg durch diesen Abschaum. Sie und ich wurden mit Fragen bombardiert. Hosty brüllte: »Mr. Amberson gibt eine Erklärung ab, sobald er von den zuständigen Stellen eingehend befragt worden ist!«
»Wann?«, rief jemand.
»Morgen, übermorgen, vielleicht nächste Woche!«
Das wurde mit einem Stöhnen quittiert, das Hosty grinsen ließ.
»Vielleicht nächsten Monat. Im Augenblick wartet President Kennedy am Telefon auf ihn, lasst uns also durch, Leute! «
Sie ließen uns durch und krächzten dabei wie die
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