Der Antares-Krieg
Drake unterdrückte eine Empfindung von Unwirklichkeit und studierte die Gestalt des unbekannten Lebewesens mit aller nüchternen Distanz, die er aufbringen konnte. Es ließ sich nicht sagen, dass es ein schöner Anblick war, aber in vergleichbarer Situation hätte sich ein Mensch auch schwerlich von seiner vorteilhaftesten Seite gezeigt. Das Wesen war ein sechsbeiniger, zweiarmiger Zentauroid, dessen Erscheinung auf die Abstammung aus dem Reich der Reptilien hindeutete. Es lag auf der rechten Seite, mit dem Kopf am oberen Ende des Bildschirms und einem meterlangen Schwanz, der über das Ende des Tisches am unteren Rand des Bildschirms hing. Die Haut war graugrün und leicht geschuppt.
Während Drake die wenig einnehmende Erscheinung studierte, langten zwei menschliche Arme ins Bild, hoben den Kopf des Geschöpfes vom Tisch und drehten ihn um fast einhundertachtzig Grad in die Kamera. Entweder war der lange Hals des Lebewesens gebrochen, oder er besaß eine beachtliche Flexibilität.
Der Kopf zeigte eine gewölbte Schädelkappe über einem zähnestarrenden, schnauzenartig vorgebauten Gesichtsteil. Die Augen saßen seitlich unter dicken Knochenwülsten im Schädel. Drake bemerkte, dass der Zentauroid es schwierig gefunden haben musste, geradeaus nach vorn zu blicken. Die Ohren waren Löcher im oberen Teil des Schädels, um die beweglich aussehende Hautlappen an einem Rahmenwerk kleiner Stacheln aufgespannt waren.
Die Kamera ging nahe an eines der Augen heran, und der ungesehene menschliche Helfer drehte den Kopf so, dass es besser zu sehen war. Zuerst schien es, als ob die Augen des Ryall zwei Obsidiankugeln wären, die tief in den Schädel eingesunken waren. Aber zwei neue Hände kamen ins Bild und leuchteten mit einer Taschenlampe in das stark vergrößerte Auge. Das Licht wurde von einer schwarzen Pupille in dem pechschwarzen Augapfel reflektiert. Von einem Augenlid oder einer Membran zum Bedecken des Auges war nichts zu sehen.
Die Kamera ging zurück und brachte den Mund des Zentauroiden in den Brennpunkt. Eine dreifach gegabelte Zunge hing schlaff zwischen Doppelreihen scharfer, konischer Zähne heraus. Dann wanderte die Kamera langsam über die Flanke des Zentauroiden, verweilte auf einer sechsfingrigen Hand mit rudimentären Schwimmhäuten zwischen den Fingern, dann auf den sechs Beinen, die in ähnlichen, gleichfalls mit Andeutungen von Schwimmhäuten ausgestatteten Füßen endeten.
»Nicht gerade hübsch«, war Drakes einziger Kommentar.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Bethany. »Ich finde, es hat eine gewisse, ihm eigene Schönheit. Möchten Sie mehr sehen? In einer Minute fangen sie mit der Autopsie an. Wenn Sie wollen, kann ich den Film zu den Ergebnissen vorlaufen lassen.«
»Ersparen Sie sich die Mühe«, sagte Drake, »sie würde an mir verschwendet sein. Wir müssen die Aufzeichnung an Bord der City of Alexandria bringen, damit die Fachleute ihre Folgerungen daraus ziehen können.«
Bethany nickte und griff nach dem Funksprechgerät, das sie auf dem Computergehäuse hatte liegen lassen. »Soll ich die Bergungsmannschaft verständigen, dass sie mit dem Abbau der Bibliothek anfängt?«
»Noch nicht«, sagte Drake. »Ich habe etwas zu sagen, das sonst niemand hören soll.«
Bethany spürte seinen plötzlichen Stimmungsumschwung und zog die Stirn in Falten. »Wenn es sich darum handelt, dass ich gestern die Zeit zur Rückkehr versäumte, so sage ich Ihnen, dass ich es bedaure.«
»Das sollten Sie auch tun«, sagte er in eisig-strengem Ton.
»Es war eine verdammte Dummheit, und gefährlich dazu ...«
15
Zwei Standardtage nach der Entdeckung der Universitätsbibliothek ließ Richard Drake die Bodenoperationen auf New Providence einstellen. Die Auflösung des Basislagers, der Abbau der strahlungssicheren Fertigteilbaracken und der Rücktransport des Personals und Materials nahmen danach noch mehrere Tage in Anspruch. Bethany Lindquist schob ihre Abreise auf, solange sie konnte, indem sie sich nach Möglichkeit nützlich machte. Sie verpackte Aufzeichnungen, nahm Geräte auseinander und sortierte mit anderen die Berge von Kleingegenständen und Bruchstücken, die von den Suchtrupps gesammelt worden waren. Schließlich war das Einpacken und Abtransportieren abgeschlossen, und das Auseinandernehmen der Fertigteilbaracken des Lagers musste sie den Marinesoldaten überlassen. Mit den letzten Angehörigen des wissenschaftlichen Personals stieg sie in ein Landungsboot und warf einen letzten Blick
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