Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)
Ich würde sie gern hören.
ANWALT
Ich würde ihnen sagen, dass ich dem Jungen noch nicht mal begegnet bin. Dass er wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Knast saß und ich ihn rausgeholt habe.
REINER
Okay. Wieso hat er ausgerechnet dich engagiert?
ANWALT
Er hat mich nicht engagiert. Ich habe ihn aus dem Knast geholt, um seiner Mutter einen Gefallen zu tun.
REINER
Okay. Und woher kennst du die Mutter?
ANWALT
Das Gericht hat mich in einem Berufungsverfahren in einer Mordsache zu ihrem Pflichtverteidiger bestellt. Sie hat ihren Mann umgebracht. Den Stiefvater des Jungen.
REINER
Hast du gewusst, womit sich der Junge seinen Lebensunterhalt verdient hat?
ANWALT
Nein.
REINER
Aber jetzt weißt du es.
ANWALT
Jetzt weiß ich es. Ja.
REINER
Und würdest du dem Gericht bitte sagen, welcher Beruf das war?
ANWALT
Wieso stehe ich auf einmal vor Gericht?
REINER
Sorry. Das war wohl etwas vorschnell von mir.
ANWALT
Sehr komisch.
Reiner rührt seinen Kaffee um. Er legt den dampfenden Löffel auf den Tisch.
REINER
Ja. Na ja. Wohl eher nicht.
*****
Der Anwalt ist auf einer belebten Straße in der Innenstadt. Es regnet. Er geht in ein Café und tritt auf eine Frau zu, die mit einem Pudel an einem Tisch sitzt.
ANWALT
Ma’am, es tut mir schrecklich leid, Sie zu stören, aber mein Telefon ist kaputt, und es handelt sich um so etwas wie einen Notfall. Dürfte ich ganz kurz Ihr Telefon benutzen?
Die Frau sieht ihn an und reicht ihm dann ihr Telefon, das auf dem Tisch liegt. Der Anwalt wählt.
ANWALT
Wo bist du?
Ich kann dich nicht von meinem Telefon anrufen.
Nein. Kannst du nicht.
Geh in ein Hotel und ruf mich später an.
Geh nicht in die Wohnung.
Tu es einfach nicht.
Es ist sehr wichtig.
Ich muss jetzt los.
Ruf niemanden an.
Nein.
Niemanden. Ich liebe dich.
Er legt auf und gibt der Frau ihr Telefon zurück.
ANWALT
Vielen Dank. Sehr freundlich von Ihnen.
Er dreht sich um und geht hinaus. Die Frau trinkt ihren Kaffee aus, steht mit dem Hund unter dem Arm auf und geht hinaus. Sie spannt ihren roten Schirm auf, steht mit dem Hund unter dem Arm da und schaut auf die verregnete Straße hinaus.
*****
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Der Fäkalienwagen auf einer zweispurigen Asphaltstraße in Zentraltexas. Ihm folgt eine Limousine, neuestes Modell, in der zwei Männer sitzen. Der Beifahrer der Limousine stöpselt das Kabel einer roten Blinkleuchte im Zigarettenanzünder am Armaturenbrett ein, greift zum Fenster hinaus und setzt die Blinkleuchte auf das Wagendach. Dann nimmt er einen schwarzen Kasten vom Sitz, hält ihn ans Fenster und schaltet ihn ein; der Kasten produziert das Geräusch einer Polizeisirene. Der Fäkalienwagen bremst ab, fährt auf den Standstreifen und hält an. Die Limousine hält ein Stück hinter ihm, die beiden Männer steigen aus und setzen dabei weiße Stetson-Hüte auf. Sie sind mit Stiefeln, hellbrauner Hose und weißem Hemd bekleidet und tragen Pistolen. Der Fahrer des Lkws – Drahtmann – beobachtet sie im Rückspiegel. Die Stiefel des Beifahrers bewegen sich an der Beifahrerseite des Lkws entlang. Der Fahrer setzt den Lkw in Gang und fährt los. Die beiden Männer auf der Straße haben den Lkw fast erreicht, ziehen ihre Pistolen und fallen in Laufschritt. Der Beifahrer des Lkws hat inzwischen im Straßengraben Deckung gesucht; als der Lkw sein Blickfeld freigibt, stehen die beiden Männer ohne Deckung direkt vor ihm; er eröffnet mit einer Pistole das Feuer auf sie, einer geht tot zu Boden, den anderen verwundet er am Bein. Der Verwundete wirft sich in den Graben auf der anderen Straßenseite. Der Lkw ist, in schrägem Winkel zur Fahrbahnmitte, erneut zum Stehen gekommen, und der Fahrer eröffnet mit einer Pistole durch das Fenster das Feuer auf den Verwundeten. Dieser drückt sich flach in den Graben, zielt sorgfältig mit seiner Pistole und schießt den Fahrer in den Kopf. Die Pistole des Fahrers fällt klappernd auf die Straße. Der Beifahrer im Graben sieht die Pistole fallen. Er mustert die andere Straßenseite, duckt sich dann und läuft tief gebückt im Graben auf den Lkw zu. Der Verwundete sieht den Rücken des Mannes, wie er sich den Graben entlangbewegt, und gibt drei Schüsse auf ihn ab. Der letzte Schuss trifft den Tank des Lkws, aus dem Loch sprudelt braunes Abwasser. Der Beifahrer erreicht den Lkw, öffnet die Tür, klettert über den zu Boden gesackten Toten hinweg, greift, über diesem kauernd, mit der Hand nach dem
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