Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
so wahrscheinlich ist wie ein Scheck von Raphael –, wir könnten Flora putzen und Gypsy Schornsteine fegen schicken und die Hunde zu Zeitungsboten ausbilden. Aber wirklich realistisch ist nur eine Lösung.«
»Nein, Pip, bitte nicht ...«
»Ich weiß wirklich nicht, was wir sonst tun sollen, Susan.« Pip zuckte die Achseln. »Wir haben jetzt ein paar Monate Zeit, uns etwas anderes zu überlegen. Wenn uns nichts einfällt, ist die Sache klar: Wir müssen Arandore verkaufen.«
– 8 –
Pip war auf einmal unbeschreiblich müde und erschöpft, und das ganz sicher nicht nur von der Reise. Susan war aschfahl geworden, als sie davon sprach, Arandore zu verkaufen, aber sie hatte nichts dagegenzuhalten, ihre Tante wusste, dass sie recht hatte.
Seit einer gefühlten Ewigkeit war das Anwesen in Charteris Familienbesitz. So viele Generationen hatten hier schon gelebt. Und ausgerechnet ihre Generation, dachte Pip, während sie den Blick über das Chaos in der Küche schweifen ließ, hatte es jetzt verbockt.
Pip saß allein am Küchentisch und füllte Überweisungsformulare zur Deckung der am häufigsten angemahnten Rechnungen aus.
Die anderen waren alle ins Bett gegangen.
Susan bewohnte den sogenannten Westflügel – zwei Zimmer gleich gegenüber der Küche. Da sie die Vorhänge noch nicht zugezogen hatte, konnte Pip ihr dabei zusehen, wie sie ihre allabendlichen Yoga-Übungen machte.
Viola hatte das Zimmer direkt über Tante Susan und gegenüber ihrer Mutter, neben dem geräumigen Wohnzimmer und einem Gästezimmer.
Bei ihr war alles dunkel.
Pip klebte den letzten Umschlag zu, legte ihn auf den Stapel mit Briefen, die sie am nächsten Morgen einwerfen würde, und ging ebenfalls zu Bett.
Die Zimmer der anderen Mädchen – inklusive Pips Zimmer – befanden sich im zweiten Stock des Hauses.
Floras Tür stand einen Spalt offen. Pip sah sie mit ihrem Französischbuch auf dem Schoß im Bett sitzen. Ihre Augen wanderten über die Seiten, während ihre Lippen unaufhörlich die zu lernenden Sätze formten.
Gypsys uralter tragbarer Fernseher plärrte, obwohl sie schon längst unter einer von Hunden bevölkerten Decke lag und leise schnarchte.
Als Emerald Pip vorbeischleichen sah, hob sie den Kopf und sprang sachte vom Bett, um ihr schwanzwedelnd zu ihrem Zimmer am Ende des Flurs zu folgen.
Dort sah es genauso aus wie noch vor zwei Monaten. Also genauso wie in all den Jahren, seit sie ausgezogen war.
Dachschrägen und sichtbare Balken, ein Schreibtisch rechts vom Fenster, davor ein alter, mit dunkelrotem Samt bezogener Sessel. Hier hatte sie viele, viele Stunden verbracht und sich in zahllose Romane vertieft.
Das Regal an der Wand ächzte unter dem Gewicht ihrer vielen Bücher.
Jenseits des großen alten Holzbettes war ein kleiner Erker mit zwei gepolsterten Sitzen und Samtvorhängen, die ähnlich alt und zerschlissen waren wie der Bezug des Sessels. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf den seitlichen Garten, den Gemüsegarten, das große Gewächshaus und Pops Cottage.
Auf der Kommode standen Familienfotos. Auf ihrem Nachttisch Fotos von ihrem Vater.
»Hat sich nichts verändert«, seufzte Pip, nahm ein Foto von sich mit ihrem Vater zur Hand, drückte es einen Moment an sich und stellte es behutsam zurück an seinen Platz.
»Wahrscheinlich ist das sogar noch derselbe Staub wie bei meinem letzten Besuch«, brummte sie vor sich hin und strich mit dem Finger über die Frisierkommode. Doch als sie die Fingerspitze inspizierte, war diese zu ihrer Überraschung sauber.
»Der gute Geist des Hauses hat hier heute Vormittag eine Runde den Staubsauger und das Staubtuch geschwungen«, erklang eine Stimme hinter ihr. »Damit alles blitz-blank ist, wenn die verlorene Tochter wiederkommt.«
Pip drehte sich um und sah Viola mit einem Haufen Klamotten auf dem Arm in der Tür stehen.
»Das war sehr nett von ihm«, entgegnete Pip vorsichtig.
»Hmpf.«
Violas schönes Gesicht verzog sich zu einer sauren Miene. Sie betrat das Zimmer und warf den Haufen Schmutzwäsche auf Pips Bett.
Überrascht sah Pip ihr zu.
»Danke, ich freue mich auch, dich zu sehen, Viola. Ist das meine Begrüßung? Dein Haufen Schmutzwäsche auf meinem Bett? Weißt du immer noch nicht, wie die Waschmaschine funktioniert?«, neckte Pip sie.
»Ich weiß haargenau, wie jedes einzelne Gerät in diesem Haus funktioniert«, giftete Viola zurück. »Ich dachte nur, du wolltest das hier vielleicht mal langsam wiederhaben.«
»Das sind meine
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