Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
fragte sie und hielt etwas hoch.
Es war einer der Aushänge für die Vermietung von Pops Cottage, die Pip am Vorabend entworfen hatte. Heute wollte sie herumfahren und die Mini-Plakate aufhängen, um so hoffentlich einen Mieter zu finden.
Gypsy hatte den Aushang mit einer Bleistiftzeichnung vom Cottage inklusive Geißblattranken um die Haustür und im Garten spielenden Hunden ausgeschmückt.
Pip blinzelte überrascht.
»Das sieht ja toll aus, Gypsy! Du hast ja richtig Talent!«
»Ich weiß«, grinste Gypsy frech. »Das hat Miss Jenkinson auch schon zu Mum gesagt. Sie hat gesagt, dass ich ein ... ein rundes Kind oder so bin ...«
»Ein Wunderkind?«, hakte Pip nach.
»Ja, genau. Mum hat gesagt, das heißt, dass ich irgendetwas überdurchschnittlich gut kann. Miss Jenkinson hat auch gesagt, es sei eine Schande, dass ich so retinent sei. Mum hat gesagt, das heißt, dass ich meinen eigenen Willen habe, aber so, wie Miss Jenkinson mich angesehen hat« – Gypsy senkte verschwörerisch die Stimme – »habe ich eher den Eindruck, dass sie das nicht als Kompliment meinte ...«
»Genau genommen ist renitent ein sehr freundliches Wort für sehr schlechtes Benehmen, Gyps. Wieso benimmst du dich so daneben? Findest du die Schule echt so scheiße?«
»Wieso sollte ich die Schule scheiße finden? Die macht doch Spaß!«
»Mag ja sein, Gyps«, seufzte Pip. »Das Problem ist nur, dass die Schule deine Art von Spaß nicht besonders spaßig findet ...«
Als hätte sie es geahnt.
Pip hatte Gyps zur Schule gebracht und war gerade erst von einer Runde mit den Hunden wiedergekommen, als sie mit einem ziemlich barschen und verärgerten Anruf wieder zurückbeordert wurde.
Zwanzig Minuten später geleitete man Pip in das Büro der Schulleiterin. Miss Jenkinson saß hinter ihrem Schreibtisch. Ein einzelner Wangenmuskel zuckte, und Pip hätte schwören können, dass die Haare der Rektorin seit ihrer Begegnung letzte Woche noch weißer geworden waren.
Gypsy saß auf einem Stuhl in der Zimmerecke und ließ die Beine baumeln und den Kopf hängen. Als Pip hereinkam, sah sie kurz zur Seite und grinste. Doch sobald sie bemerkte, dass Amelia Jenkinson sie streng ansah, richtete sie den Blick wieder auf den Boden und gab Reue vor.
Pip redete in der Regel nicht lange um den heißen Brei, wenn unangenehme Themen anstanden, und so hielt sie es auch diesmal: »Was ist passiert?«
Miss Jenkinson stieß einen langen, leidenden Seufzer aus.
»Gypsophila hat heute Morgen ihre Biologie-Hausaufgabe abgegeben.«
Pip glaubte, tatsächlich Tränen in den Augen von Miss Jenkinson zu sehen.
»Gyps hat Hausaufgaben gemacht? Aber das ist doch großartig!«
Verwirrt ließ Pip den Blick von ihrer Schwester zur Rektorin und wieder zurück wandern.
»Nicht, wenn DAS HIER das Ergebnis ist.«
Miss Jenkinson tauchte hinter ihrem Schreibtisch weg, tauchte wieder auf und reichte Pip eine Pflanze.
Pip nahm sie vorsichtig entgegen.
So, wie die Lehrerin guckte, hätte man meinen können, das Gestrüpp würde jede Sekunde explodieren.
Sie wartete.
Nichts passierte.
»Das ist eine Pflanze«, merkte Pip an, denn sie hatte den Eindruck, dass nur die Beschreibung des Offensichtlichen sie im Moment weiterbringen konnte.
»Richtig ... Ja ... Das ist eine Pflanze. Aber das ist nicht irgendeine Pflanze ...«
»Ist es irgendein Gras?«, wunderte sich Pip.
»Nicht irgendein ...«, erwiderte Miss Jenkinson und zog dabei die Augenbrauen fast bis zum Haaransatz.
Es folgte eine lange, äußerst vielsagende Pause.
Pip tat es Amelia nach und besah sich die Pflanze noch einmal genauer.
Nicht irgendein ...?
Also nicht irgendein Gras, sondern einfach ...
»Verdammte Hacke!«, rief Pip aus, als der Groschen fiel. Gleichzeitig ließ sie den Blumentopf auf Miss Jenkinsons Teppich mit Paisley-Muster krachen.
Keine von ihnen machte Anstalten, sich danach zu bücken.
Die Lehrerin fixierte die beiden Charteris-Sprösslinge mit eisigem Blick.
»Ich werde nicht fragen, woher Gypsophila diese Pflanze hat. Ich möchte es nämlich gar nicht wissen. Aber das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Jetzt wird sich etwas ändern müssen. Ich glaube wirklich, dass deine Schwester und diese Schule an einem Punkt angelangt sind, an dem sich unsere Wege trennen müssen. Nur so können wir beide überleben. Ich habe mich bereits mit der Schule, die ich erwähnt hatte, in Verbindung gesetzt. Ich habe ausführlich mit dem Rektor von Manor Grange über
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