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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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die besagte Fleischmasse in vier Teile geteilt war, entsprechend dem Umhang, den der Affe getragen hatte. Die Frau erklärte auf Nachfrage, sie habe das Kind bereits fünf Monate im Leib getragen, bevor ihr das unglückselige Ereignis zustieß. Viele Fragen wurden bei dieser Gelegenheit aufgeworfen: nämlich über die Macht der Einbildungskraft & ob dieses Wesen mit einer menschlichen Seele ausgestattet sei; & falls nicht, was aus der Seele des fünf Monate alten Embryos wurde.

IV
    I ch war noch nie in einer Kutsche gereist, und meine erste Erfahrung damit war derart unangenehm, dass ich wünschte, es möge mir in Zukunft erspart bleiben.
    Die gesamten neun Tage, die wir nach London unterwegs waren, goss es. Als hätten sich die Wolken verflüssigt, donnerten graue Regenwände unaufhörlich auf das Kutschendach und verwandelten die Straßen in Morast. Die Pferde kamen nur mühsam voran. Mehr als einmal gerieten wir vom Weg ab und mussten ein paar zusätzliche Kilometer in Kauf nehmen, bis wir wieder auf der richtigen Straße waren. Oft hielten wir an, weil die Räder im Matsch feststeckten. Die Kutsche ächzte und schwankte, als wäre jede Furche und jede Pfütze die reinste Qual. Ich hatte mich glücklich geschätzt, einen Platz in Fahrtrichtung ergattert zu haben, aber unsere Truhen, die kunterbunt durcheinandergewürfelt in einem Eisenkorb lagen, der außen an der Rückwand der Kutsche befestigt war, trommelten ein Sperrfeuer so gewaltiger Schläge auf meinen Hinterkopf, dass ich sicher war, sie würden früher oder später die Wand durchbrechen.
    Das unablässige Gepolter war jedoch nicht die einzige Beschwernis. Aufgrund des Wetters mussten wir die Blechfenster geschlossen halten, damit der Regen nicht hereinprasselte. In dem abgeschlossenen Raum wurde die Luft schnell schal und stickig von den Ausdünstungen der Körper und dem Geruch nasser Wolle. Die einzige Lichtquelle waren die in das Metall gestanzten Lochmuster und ein schmaler Spalt da, wo sich das Blech nicht genau in den Rahmen fügte. Der von dort kommende Luftzug trieb winzige Wassertröpfchen herein, die sich als ein Schleier auf unsere Schöße legten, aber der Spalt gab nur höchst widerwillig eine Ahnung von Helligkeit preis. Die Dunkelheit wurde noch durch das glanzlose schwarze Leder gesteigert, mit dem das Kutscheninnere ausgekleidet war. Die schmutzigen Beschlagnägel mit den großen Köpfen waren wohl als Schmuck gedacht, schufen in Wirklichkeit aber eine fast bedrohliche Atmosphäre. Von meinen Mitreisenden hätte ich, wäre mir daran gelegen gewesen, nur ganz vage die Umrisse erkennen können.
    Aber mir lag nichts daran. Am ersten Morgen beim Frühstück, das wir vor unserer Abfahrt in dem Gasthof einnahmen, fiel mir eine Mitreisende auf, eine füllige Dame mit gelber Haube und rötlichem Teint, die mit der Gabel zwischen den Zähnen herumstocherte und alles, was ihr Mann sagte, mit missbilligendem Schnalzen kommentierte. Die Passagiere waren überwiegend allein reisende Herren mittleren Alters, und als es an der Zeit war, unsere Plätze einzunehmen, achtete ich darauf, mich neben die Frau zu setzen. An jenem ersten Morgen fragte sie mich nach meinem Namen, aber da ihr meine Gesellschaft wohl nicht zusagte, vergaß sie ihn prompt und schenkte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit stattdessen einer Tüte mit Zuckergebäck und erging sich in unaufhörlichem Geschimpfe.
    Ihr Mann, von noch größerer Leibesfülle als sie, schien sich weder an den Krümeln zu stören noch daran, unaufhörlich kritisiert zu werden. Mehr noch, die wenigen Male, da eine Bemerkung von ihm unkommentiert blieb, wiederholte er, was er gesagt hatte, um ihr noch einmal Gelegenheit zu geben, ihr Missfallen zu bekunden. Ansonsten verlief die Konversation wie unter Männern üblich: lange Minuten des Schweigens, unterbrochen von Gebrummel und Flüchen oder, häufiger, dem Abgang von Darmgasen und brüllendem Gelächter. Ich verkroch mich in meine Ecke und wünschte nichts weiter, als unbehelligt zu bleiben. Abends, als man uns bei einer Herberge aussteigen ließ, um etwas zu essen und zu übernachten, verzichtete ich darauf, die anderen in die Gaststube zu begleiten.
    Vielmehr begab ich mich direkt zu Bett und ließ mir das Essen auf einem Tablett in mein Zimmer bringen, obwohl ich es kaum anrührte. Der Wurm in meinem Innern wurde fetter und fetter, griff immer heftiger meine Eingeweide an und verursachte mir Übelkeit wie die Würmer in meiner Kindheit. Ich hatte keinen

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