Der Apotheker: Roman (German Edition)
der Perücke, die wie ein Schleier zu beiden Seiten herabhing. Da, wo Nase, Wangen und Mund hätten sein sollen, war nur Dunkelheit, ein finsterer Strudel, ständig in Bewegung, der das Licht verschlang und ihm seine Wärme raubte. Die Wand hinter mir war kalt wie ein Leichnam. Was würde man berühren, wenn man die Hand nach so einem Gesicht ausstreckte? Würde einem das Fleisch von den Fingern gerissen werden? Zerfielen die Knochen zu Staub? Ich wimmerte, hinter meinen geschlossenen Lidern sprühte Silberstaub. Das Dröhnen in meinen Ohren löschte alle Alltagsgeräusche aus, gleichsam als hielte das Haus den Atem an.
Am Fuß der Treppe stockten die Schritte. Ich hörte das Klappern des hölzernen Briefkastens und wie etwas auf den Kirschholztisch fiel, ich vernahm das ledrige Knarren eines Furzes, jedes Geräusch gestochen scharf wie das Scheppern eines Löffels in einem Glas, und ein Echo, das in der Stille widerhallte. Dann begann er die Treppe hochzusteigen. Ich drückte mich flach gegen die Wand, presste den Besen mit beiden Händen an meine Brust und wünschte, ich wäre unsichtbar. Normalerweise hätte ich versucht, dem bösen Omen auszuweichen, das es bedeutete, wenn man jemandem auf einer Treppe begegnete. Doch jetzt wollte ich nur, dass er an mir vorbei wäre, fort, verschwunden hinter einer sicher verschlossenen Tür. Er kam näher, so nah, dass mir der Geruch von Tinte in die Nase stieg, der hartnäckige Gestank von Tabak und verschüttetem Wein, das schale Puder seiner Perücke. Ich drückte die Augen fest zusammen und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf den Moment, da er sich an mir vorbeischob.
Plötzlich spürte ich den Druck seiner Finger an meinem Kinn. Mir wurde flau im Magen.
»Gut«, murmelte er. »Es ist so weit. Morgen fangen wir an.«
Sein Griff wurde fester. Heiße Tränen traten mir in die Augen. Unvermittelt ließ er mich los. Mein Kopf schnellte ruckartig nach vorn.
»Mary! Sag deiner Herrin, sie soll sofort zu mir kommen. Und bürste meinen Hut. Diese Krähen werden allmählich zu einer richtigen Plage.«
Dann ging er weiter, seine Schuhe klapperten die Treppe hinauf in den oberen Stock. Ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss schepperte und die Tür zugeschlagen wurde. Mit einem Mal war es still. Meine Beine zitterten. Ich glitt die Wand hinunter, drückte mich in meine dunkle Ecke, hüllte mich in die Dunkelheit wie in eine Decke und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Mein Herr war kein Apotheker. Er war ein Teufel, ein Dämon, der gesichtslose Stellvertreter des Satans.
In was für eine Hölle war ich geraten?
Es bewegt sich in ihrem Bauch, gezeugt von dem Vater, in vollkommener Perfektion, aber noch immer formlos, vage, die Glieder weich wie Wachs. Vielleicht ein männliches Kind, jedoch, da von einer Frau geboren, ohnmächtig gegenüber den heftigen Leidenschaften, die von der glühenden weiblichen Einbildungskraft entfacht werden, ohnmächtig gegenüber der Unfähigkeit des schwachen & leicht beeinflussbaren weiblichen Körpers, solchen Leidenschaften zu widerstehen.
Schwebend in milchiger Dunkelheit, wächst es heran, ohne der erhöhten Temperatur der Flüssigkeit gewahr zu werden, in der es schwimmt, der unregelmäßigen Zuckungen des Herzmuskels unmittelbar über ihm, der heftigen krampfartigen Bewegungen der Atmungsorgane & der Konvulsionen der Fasern & Nervenstränge des Körpers, wenn der Atem schneller & heftiger wird. Es spürt bereits, dass die beschleunigte Atmung während eines Schubs der Einbildungskraft das erhitzte Blut schneller als gewöhnlich durch den Körper der Frau pumpt, es in ihre Gliedmaßen strömen lässt, sodass die Gebärmutter in ihrem Bauch wie ein Schiff auf stürmischer See hin & her geworfen wird.
Der Sturm flaut ab. Das Blut strömt wieder langsamer & kühlt ab. Der Fötus beruhigt sich, rollt sich zusammen & fällt wieder in seinen Schlummer, besänftigt durch das unvergossene Menstruationsblut, das ihn ernährt. Er schmeckt nicht den Unterschied in dessen Zusammensetzung & kann auch nicht den Mund abwenden, denn das Blut rauscht ohne sein Zutun durch die Nabelschnur in seinen Körper. Er kann nicht wissen, dass die hohe Bluttemperatur die Körperflüssigkeiten erhitzt hat & dass, selbst wenn sich diese Flüssigkeiten abkühlen, ihr Inhalt im Körper der Frau abgelagert wird wie Salz, das sich am Rand eines sich abkühlenden Kochtopfs konzentriert, & sich in jenem Menstruationsblut sammelt, das seine Ernährung gewährleistet.
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