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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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scharfen Kanten ihrer Wangenknochen erblühten zwei hellrosa Flecken. »Wenn du so gut wärst. Ich brauche deine Hilfe.«
    »Sie schmeicheln mir«, erwiderte Edgar. »Selbstverständlich stehe ich voll und ganz zu Ihren Diensten.«
    »Selbstverständlich.«
    Mrs Blacks Hände zitterten. Es schien, als wäre sie außer Atem. Ihr Kehlkopf hüpfte auf und ab, als wollte er sich durch den Hals schneiden. Edgar verbeugte sich noch einmal und bedeutete ihr mit einer Geste, ihm voraus die Treppe hinaufzugehen. Über Edgars Schulter hinweg sah sie mich an. Ich schloss rasch den Mund. Die Bisswunde an meiner Brust begann sich zu röten. Hastig bedeckte ich die Stelle mit der Hand.
    »Was gibt es da zu gucken, Fräuleinchen?«, fuhr sie mich an, und ihr Gesicht faltete sich erneut in die gewohnten straffen Linien. »Und bedecke gefälligst deine Blöße. Dies hier ist ein respektables Haus, kein Bordell. Ich werde nicht dulden, dass eines meiner Dienstmädchen wie ein billiges Flittchen herumläuft. Noch ein Mal, und ich stecke dich in den Keller.«
    Daraufhin stürmte sie die Treppe hoch. Edgar sah mich an, bleckte dabei die Zähne wie ein knurrender Hund und streckte seine dicken Hände wie Pfoten in die Luft, ehe er ihr grinsend folgte. Ich stellte wütend meinen Teller in den Spülstein. Mary, die bis dahin die Hände vors Gesicht geschlagen hatte, erhob sich von ihrem Stuhl und kam auf mich zu. Sehr vorsichtig berührte sie mit einem Finger die Wunde an meiner Brust. Ihre Nägel waren derart abgekaut, dass ihre Fingerspitzen dick und geschwollen aussahen, aber ihre Berührung war kühl und sanft wie die eines Schmetterlings. Unwirsch schob ich ihre Hand beiseite. Mary sagte nichts, aber sie blinzelte mich mit schlaffem Mund an.
    »Was ist?«, fragte ich ärgerlich. »Hat die Katze deine Zunge gefressen?«
    Über unseren Köpfen ertönte die Ladenglocke. Die Arbeit rief. Aber als ich aus der Küche stürmte, war mir das Herz schwer. Ich schleuderte den Scheuerlappen auf die dunklen Dielen im Flur und verspritzte dabei einen gehörigen Schwall Wasser aus dem Eimer. Mrs Black würde mich für eine derartige Verschwendung tadeln, das wusste ich, aber es war mir egal. Wenn ich in London niemanden zum Freund hatte, so war ich es doch meiner Würde schuldig, dass ich selbst es so wollte.
     
    Am Ende jedes langen, düsteren Tages dieser ersten Woche sagte ich mir fest entschlossen, dass mir weder das Warten noch die unangenehme Wesensart meiner Mitbewohner etwas anhaben konnten. Die Merkwürdigkeit dieses Hauses und die Strenge seiner Herrin würden mich kaltlassen. Schließlich war ich nicht nach London gekommen, um mich zu amüsieren. Ich hatte ein Ziel, und ich wollte zusehen, dass ich es erreichte. Ich musste nur meine Pflichten erfüllen und Strafe vermeiden, und wenn die Zeit gekommen war, wollte ich beten, dass alles glattging. Ein Jahr war schnell vorüber. Diese Seite würde aus dem Buch meines Lebens herausgerissen und eine neue aufgeschlagen werden. Dann wäre ich frei, zu gehen, wohin ich wollte. Ich konnte eine andere Stellung antreten oder sogar nach Hause zurückkehren. Ich versuchte, nicht an das Gesicht meiner Mutter zu denken, wie sie die Tür des Cottage hinter sich schloss. Sie kümmerte mich ebenso wenig wie ich sie, dieses verräterische, falsche, stinkende alte Weib. Ich vermisste meine Mutter kein bisschen.
    Nein, in der Swan Street gab es nichts, was mich beunruhigte. Was ging es mich an, dass ich meinen Herrn kein einziges Mal zu sehen bekam? Dies war schließlich kein Landhaus, in dem alle Bewohner wie junge Hunde übereinanderpurzelten. In einem Londoner Haushalt mit vielen Zimmern war es zweifellos ganz normal, dass eine Dienstmagd ihrem Dienstherrn wochenlang nicht begegnete. Nicht, dass nicht oft über ihn gesprochen worden wäre, im Gegenteil. Seine Forderungen und Wünsche wurden erörtert und erwogen, seine Gesundheit und seine Behaglichkeit waren eine Quelle unablässiger Sorge.
    Auch seine Autorität stand außer Zweifel. Mary fürchtete sich vor ihm. Wenn es an der Zeit war, ihm sein Mittagessen hinaufzubringen, drückte sie mir das Tablett in die Hand und schob mich aus der Küche, den Kopf abgewandt und die Augen fest zusammengekniffen. Ich funkelte sie böse an, doch wenn ich mich bückte, um das Tablett vor der geschlossenen Tür abzustellen, zitterten meine Knie leicht. Später, wenn ich es wieder abholte, glänzte das leere, verschmierte Geschirr im Dämmerlicht, die gefaltete

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