Der Apotheker: Roman (German Edition)
Miene. »Außerdem wirst du beim Buchhändler Mr Honfleur ein Päckchen abholen. Der Herr fühlt sich nicht wohl genug, um heute auszugehen.« Sie räusperte sich laut. »Der Laden befindet sich auf der Westseite des Kirchhofs von St. Paul’s, neben dem Haus mit dem Ladenschild, das eine Hand und einen Schreiber zeigt. Kannst du lesen?«
Irgendetwas an der Art, wie sie den Brief aus der Tasche zog und, vor neugierigen Blicken geschützt, in der Hand hielt, hatte meine Neugierde geweckt. Ich schüttelte den Kopf.
»Dachte ich mir. Sehr gut, gib diesen Brief Mr Honfleur. Bestelle ihm, dass ich keine Antwort erwarte. Mary, was trödelst du hier herum? Die Böden schrubben sich nicht von allein.«
Mary zuckte zusammen und beeilte sich, einen zerlesenen Handzettel in ihre Schürzentasche zu stopfen. Sie war nicht schnell genug. Mrs Black riss ihn ihr aus der Hand.
»Wo hast du das her? Warst du im Zimmer des Herrn? Du weißt ganz genau, dass das verboten ist. Also, heraus mit der Sprache!«
Sie tastete nach der Birkenrute an ihrem Gürtel, und Mary wich kopfschüttelnd zurück.
»Der Zettel gehört nicht dem Herrn«, sagte ich rasch. »Es ist meiner. Ein Mann hat ihn mir gegeben. Bei der Wasserpumpe.«
Mrs Black starrte mit zusammengekniffenen Augen zuerst mich und dann den Zettel an.
»Nichts als billige Gaunerei«, sagte sie schließlich und knüllte das Papier zusammen. »Die Stacheln hat man dem Kind bestimmt mit Leim angeklebt.«
Sie nahm die Kompresse in beide Hände und ging hinaus.
Edgar rülpste, als Mary vor Dankbarkeit ihr Gesicht an dem meinen rieb. Auf meiner Wange blieb eine Speichelspur zurück. Ich wischte sie mit dem Ärmel ab und versuchte, nicht an Mr Jewkes und seinen gierigen Metzgerblick zu denken.
DOKTOR
JAMES
TILBURG
Zurzeit wohnhaft in der Aufgehenden Sonne in St. Giles in the Fields, am Ende der Drury Lane, wo nachts drei Laternen mit Kerzen darin auf dem Balkon brennen
ERSTENS kuriert er französische Pocken und Ähnliches
ZWEITENS beseitigt er sämtliche Schmerzen in Schultern, Armen und Knochen, weshalb alle, die unter diesen Beschwerden leiden, bei ihm Hilfe suchen sollten, statt sich von anderen ruinieren zu lassen
DRITTENS , falls jemand in einem ausländischen Hafen vor Anker gegangen ist und befürchtet, sich dort ein Übel zugezogen zu haben, soll er ihn aufsuchen
LETZTENS : Er hilft allen, die ihre natürlichen Triebe verloren haben, und erweckt die Lebensgeister von Ehemännern, gleich, durch welche Umstände sie sie verloren haben, und erquickt sie, wie eine Rose sich am Sommertau labt
XXII
E rst nachdem ich alles gesammelt hatte, was mir aufgetragen war, öffnete ich den Brief meiner Herrin an den Buchhändler. Zwar konnte ich mich immer noch nicht für ein bestimmtes Rezept entscheiden, aber unter die Kräuterbündel, die ich für die Apotheke gesammelt hatte, schmuggelte ich auch welche, die mir für meine Zwecke nützlich erschienen, darunter süße Melisse und Minze, auf die meine Mutter schwor, wenn es darum ging, die Konstitution zu verbessern und das Wohlbefinden zu steigern. Wie unermesslich viele Menschen muss es in den rußigen Straßen Londons geben, dachte ich, die sich nichts mehr wünschten als ein besseres Wohlbefinden.
Ich war noch völlig in Gedanken an Tallys Belebenden Sirup, als ich den Brief öffnete. Die Schrift war ungelenk und schwer zu entziffern, und es lohnte auch kaum die Mühe, da nur von Abrechnungen und Zahlungen die Rede war. Enttäuscht faltete ich das Blatt sorgfältig wieder zusammen und schob den verknoteten Zwirn darüber wie Zaumzeug. Selbst Edgar hätte sich schwergetan, einen Brief wie diesen zu seinem Vorteil zu nutzen.
Auf dem Kirchhof reihten sich die Buchhandlungen aneinander. Wohin man auch blickte, standen Tische voller Bücher vor den Läden, und am Eingang lehnte wie versteinert der jeweilige Besitzer, eine verschmierte Brille auf der Nasenspitze. Die Buchhändler standen derart reglos herum, den Kopf tief zwischen die runden Schultern gezogen und die Arme über die feisten Bäuche gefaltet, dass sie an schlafende Tauben auf einer Stange erinnerten.
Mr Honfleurs Laden unterschied sich von all den anderen. Die Bücher draußen auf dem Tisch waren nicht kreuz und quer übereinandergestapelt und mit Bindfäden zusammengebunden. Und es gab auch keine Stapel losen Papiers und eselsohriger Zeitschriften, zwischen denen Päckchen mit Zucker und Tee kunterbunt verstreut lagen. Bei Mr Honfleur
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