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Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Titel: Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Solschenizyn
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nicht rausläßt; da scheißt er dann gleich im Abteil, und der Gefreite hat eine Sorge mehr, muß ihn alles in die Hand schaufeln und hinaustragen lassen.
    Kurzum: Jedes Austreten ist zuviel! Darum gib ihnen weniger Wasser. Und weniger Fressen auch – dann werden sie sich abgewöhnen, über Durchfall zu klagen und die Luft zu verpesten, ist ja zum Grausen! Man erstickt bald im Waggon!
    Weniger Wasser! Den vorgeschriebenen Hering, den kriegen sie! Die Nichtzuteilung von Wasser ist ein Gebot der Vernunft, die Nichtzuteilung von Heringen wäre ein Dienstvergehen.

    Niemand, niemand hat sich das Ziel gesetzt, uns zu quälen! Das Vorgehen der Wache ist durchaus vernünftig! Aber wir sitzen wie die Urchristen im Käfig, und unsere wunden Zungen werden mit Salz bestreut.
    Und desgleichen ist gar keine Absicht dahinter zu finden, daß die Wachmannschaft die Achtundfünfziger mit Kriminellen und Bytowiki durcheinanderwürfelt, es sind einfach viel zuviele Häftlinge in den viel zu wenigen Waggons und Abteilen unterzubringen, und rasch soll es auch noch geschehen. Von den vier Abteilen ist eines für die Frauen bestimmt, in den drei übrigen ist’s bequemer, wenn überhaupt, nach Bestimmungsbahnhöfen zu sortieren, damit das Ausladen flotter geht.
    Ist denn Christus darum zwischen zwei Räubern ans Kreuz geschlagen worden, weil Pilatus ihn erniedrigen wollte? Es war einfach zum Kreuzigen der fällige Tag, Golgatha gab es nur eines, die Zeit drängte. UND ER WARD UNTER DIE ÜBELTÄTER GERECHNET.

    Ach, laßt es nur sein, nach Stunden und Tagen zu leben: Ihr habt das Land des Epos betreten! Hier liegen zwischen Kommen und Gehen Jahrzehnte, Vierteljahrhunderte. Eine Rückkehr in die frühere Welt gibt es für euch nicht ! Je rascher ihr eure Sehnsucht nach den Daheimgebliebenen überwindet, je rascher die Daheimgebliebenen euch aus ihrer Erinnerung streichen – desto besser. Desto leichter ist’s.
    Und seht zu, daß eure Habe klein bleibt, dann braucht ihr darum nicht zu zittern! Habt keinen Koffer, dann kann ihn euch die Wache beim Einsteigen nicht kaputtschlagen (wenn im Abteil schon fünfundzwanzig Mann kauern – was wäre denn euch in der Geschwindigkeit Besseres eingefallen?). Habt keine neuen Stiefel, habt keine modischen Schuhe, und einen Anzug aus Wollstoff habt lieber auch nicht: Ob im Stolypin oder im Raben oder spätestens bei der Aufnahme ins Durchgangsgefängnis – gestohlen wird er euch doch, vom Leib gerissen, bestenfalls eingetauscht. Gebt ihr ihn kampflos her, brennt euch die Schmach in der Seele. Versucht ihr euch zu wehren, kriegt ihr fürs eigene Gut noch die Zähne eingeschlagen. Widerlich sind uns diese unverschämten Fratzen, dieses höhnische Gehabe, dieser Auswurf von Zweifüßlern, doch ob wir nicht vor lauter Zittern um unseren Besitz die seltene Gelegenheit verpassen: zu beobachten und zu verstehen. Wißt ihr noch? Die Freibeuter, Piraten und großen Weltumsegler, die von Kipling und Gumiljow in den schillerndsten Farben Besungenen – ob sie nicht ganz dieselben Unterweltler waren! Ja doch, von genau der Sorte … Verführerisch auf romantischen Bildern – warum sind sie uns hier ein Greuel? …
    Versucht, auch sie zu verstehen. Das Gefängnis ist ihnen das traute Heim. So behutsam die Obrigkeit mit ihnen umgeht, so milde sie ihnen die Urteile bemißt, so oft sie sie auch amnestiert – ein innerer Impuls treibt sie wieder und wieder zurück … Das erste Wort in der Gesetzgebung des Archipels, sollten sie’s nicht sprechen? Eine Zeitlang wurde bei uns auch in der Freiheit das Besitzrecht mit Erfolg bekriegt (später fanden die Krieger selber am Besitzen Gefallen), warum also soll es hinter Gittern geduldet werden? Du hast nicht aufgepaßt, hast dein Schmalz nicht rechtzeitig gegessen, bei den Kameraden mit Zucker und Tabak gegeizt – doch sieh, dein moralischer Fehler ist bald korrigiert, die Kriminellen schütteln eben den Inhalt deines Rucksacks auf die Pritsche. Nachdem sie dir zum Wechseln ein Paar elende Treter statt deiner handgenähten Stiefel, einen schmuddeligen Kittel statt deines Pullovers hingeworfen haben, behalten sie die Sachen auch nicht lange bei sich: Deine Stiefel sind ein guter Anlaß, sie fünfmal zu verspielen und mit besserem Blatt wieder zurückzugewinnen, der Pullover aber wird morgen gegen einen Liter Wodka und einen Kranz Wurst verschachert. Nächsten Tags sind auch sie so blank wie du. Darauf beruht der zweite Grundsatz der Thermodynamik: ein Niveau muß dem

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