Der Archipel in Flammen
junge Offizier die Sachlage; und Hadschina schloß sich seinem Urteile an. Was zunächst hieraus folgte, war, daß für den Aufschub der Hochzeit kein plausibler Grund mehr vorhanden war. Zudem erhob Elisundo selber keinen Einwand gegen sofortige Feier derselben. Und so geschah es denn, daß für dieselbe die Zeit zu Ende Oktober festgesetzt wurde. Die Feier sollte ohne allen Pomp, und in aller Ruhe vor sich gehen, viel Leute, womöglich die ganze Stadt dazu einzuladen, erschien unnütz, denn weder Hadschina noch Henry d'Albaret sehnten sich nach Zeugen ihres Glückes. Aber einige Vorbereitungen erwiesen sich doch als notwendig, und man traf dieselben, ohne viel Aufhebens zu machen.
Es war der 23. Oktober, also bloß noch sieben Tage bis zur Hochzeit. Daß sich noch irgend ein Hindernis einstellen, irgend eine Verzögerung notwendig machen würde, schien nicht zu befürchten zu sein. Und doch vollzog sich eine Tatsache, die Hadschina und Henry auf das lebhafteste beunruhigt haben würde, wenn sie ihnen bekannt geworden wäre.
Am 23. Oktober lief mit der Frühpost bei dem Bankier ein Schreiben ein, dessen Inhalt ihm einen unerwarteten Schlag versetzte. Er zerknüllte das Schreiben, zerriß das Schreiben, ja er verbrannte das Schreiben. Und das waren bei einem Manne, der sich sonst so völlig in der Gewalt hatte, doch Dinge, die auf eine seelische Erregung sehr tiefer Art deuteten!
Und dann hätte man die Worte aus seinem Munde hören können, wenn er sie nicht gar so leise in sich hinein geflüstert hätte:
"Warum ist dieser Wisch nicht acht Tage später eingelaufen? Verflucht die Kreatur, die ihn geschrieben hat!"
Fünftes Kapitel
Die messenische Küste.
Die ganze Nacht hindurch war die "Karysta" von Vitylo aus in südwestlicher Richtung, also schräg durch den Busen von Koron, gefahren. Nikolas Starkos war wieder in seine Kabine hinunter gegangen und gedachte vor Tagesanbruch nicht wieder auf Deck zu kommen.
Der Wind war günstig – eine jener frischen Brisen aus Südost, die gewöhnlich in diesen Meeren zu Sommersausgang und Frühlingsanfang zur Zeit der Solstitien oder Tag- und Nachtgleiche herrscht, wenn sich die Dünste des Mittelmeeres in Regen auflösen.
Gegen Morgen wurde das Kap Gallo an der Spitze Messeniens umsegelt, und die letzten, seine jähen Schroffen überragenden Gipfel des Taygetes verschwammen bald in den Dunstschleiern der aufsteigenden Sonne.
Sobald die Sakolewa die Spitze des Kaps hinter sich hatte, stand Nikolas Starkos wieder auf dem Verdeck. Sein erster Blick wandte sich gen Osten.
Die Landschaft Magnos war nicht mehr sichtbar. In dieser Himmelsrichtung stiegen jetzt die mächtigen Vorberge des Hagios-Dimitrios auf, ein kurzes Stück hinter dem Vorgebirge.
Einen Moment reckte sich der Arm des Kapitäns gen Osten. War es eine Gebärde der Drohung? oder ein ewiger Scheidegruß, der Heimat zugeworfen? Wer hätte es sagen können? Aber Gutes verhieß der Blick nicht, denn die Augen des Mannes in diesem Moment schossen Blitze.
Die Sakolewa, die unter dem Druck ihrer Quadrat- und ihrer lateinischen Segel flotte Fahrt machte, setzte jetzt die Steuerbordhalsen und fing an, nordwestlichen Kurs zu nehmen. Da aber der Wind vom Lande her kam, zeigte das Meer die günstigsten Bedingungen für eine Schnellfahrt. Die Sakolewa ließ die Oinussischen Inseln, Cabrera, Sapienza und Venetia zur Linken, lenkte dann direkt durch die Enge zwischen Sapienza und dem Festlande, um in Sicht von Modon zu gelangen. Jetzt entrollte sich vor ihr die messenische Küste mit dem grandiosen Panorama ihrer Berge scharf vulkanischen Charakters. Dies Messenien war, nach endgültiger Konstituierung Griechenlands als Königreich, zu einer der 13 Naumachien oder Präfekturen ersehen, aus denen dasselbe, mit Einschluß der ionischen Inseln, besteht. Zur Zeit dieser Erzählung bildete Messenien aber bloß einen der vielen Kriegsschauplätze und befand sich, je nachdem die Würfel fielen, bald in den Händen Ibrahim Paschas, bald in den Händen der Griechen, gleich wie es im Altertum der Schauplatz jener drei messenischen Kriege war, die gegen die Spartaner geführt wurden und die Namen Aristomenes und Epaminondas zu Glanz und Ruhm erhoben.
Nikolas Starkos hatte sich, sobald er den Kurs seiner Sakolewa nach dem Kompaß kontrolliert und Ausschau nach dem Wetter gehalten hatte, ohne ein Wort zu sprechen, auf das Hinterdeck begeben. Daraufhin wurden am Vorderdeck allerhand Meinungen ausgetauscht zwischen der alten
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