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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wenigen Minuten hatten ihn seine kräftigen Beine durch die ganze Stadt getragen, von der Zitadelle bis zum Ende der Strada Reale.
    "Ei, was bringst du denn, Xaris? ... was ist dir denn? ... warum denn diese Aufregung?" fragte Hadschina.
    "Was mir ist? was mir ist?" keuchte Xaris ... "eine Nachricht, eine wichtige Nachricht bringe ich ... eine ernste, wichtige Nachricht!"
    "So sprechen Sie doch, Xaris! sprechen Sie!" drängte nun auch Henry, da er nicht wußte, ob er sich freuen solle oder sich ängstigen müsse.
    "Ich kann nicht ... ich kann nicht," versetzte Xaris, dem die Aufregung tatsächlich die Kehle zuschnürte.
    "Ist's eine Nachricht vom Kriegsschauplatz?" fragte das Mädchen, ihn an der Hand fassend.
    "Ja doch! ... ja doch!"
    "Aber so sprich doch!" wiederholte sie ... "sprich doch, lieber Xaris! ... was ist denn vorgegangen?"
    "Türken ... heute geschlagen ... bei Navarino!"
    Auf diese Weise erhielten Henry und Hadschina die Kunde von der Seeschlacht am 20. Oktober.
    Durch den Lärm, den Xaris gemacht hatte, herbeigelockt, war der Bankier in die Stube getreten. Als er vernahm, um was es sich handelte, preßten sich unwillkürlich seine Lippen aufeinander und seine Stirn zog sich in Falten; aber er zeigte weder Befriedigung noch Verdruß, während das junge Paar seiner Freude die Zügel schießen ließ.
    Die Nachricht von der Seeschlacht von Navarino war gerade erst in Korfu eingelangt. Aber schon wußte man alle Einzelheiten, denn die optischen Telegraphen längs der albanesischen Küste hatten bereits ausführliche Meldungen übermittelt.
    Zu dem britischen und dem französischen Geschwader war das russische Geschwader mit 27 Schiffen und 1276 Geschützen gestoßen, und die drei Geschwader vereint hatten die Einfahrt zur Reede von Navarino forciert und die türkische Flotte angegriffen. Obwohl die Türken der Zahl nach in der Uebermacht waren, denn ihre Flotte zählte 60 Schiffe aller Größen, die mit 1994 Geschützen armiert waren, so waren sie doch besiegt worden. Zahlreiche ihrer Schiffe waren mit ihrer Besatzung in den Grund gebohrt oder in die Luft gesprengt worden. Ibrahim Pascha durfte also für seine Expedition gegen Hydra auf eine Unterstützung durch seine Flotte nicht mehr zählen.
    Dies war ein Ereignis von erheblicher Wichtigkeit. Sie bedeutete tatsächlich den Ausgangspunkt einer neuen Wendung für die Sache der Griechen. Mochten auch die Mächte schon jetzt entschlossen sein, diesen Sieg nicht zur Vernichtung der Pforte auszunutzen, so schien doch nunmehr festzustehen, daß sie gemeinsam für die Abtrennung Griechenlands von der Türkei eintreten, daß sie der Errichtung eines selbstherrlichen griechischen Königreichs binnen absehbarer Zeit das Wort reden würden.
    Diese Ansicht herrschte auch im Bankhause Elisundo. Hadschina, Henry, Xaris hatten jubelnd in die Hände geklatscht, und ihre Freude hallte in der ganzen Stadt wider. Den Söhnen Griechenlands hatten die Kanonen von Navarino soeben die Freiheit gekündet!
    Die Nachricht von diesem Siege der verbündeten Mächte oder vielmehr – und das ist zutreffender – von der Vernichtung der türkischen Seemacht brachte zunächst auch eine Aenderung in die Absichten des jungen Offiziers; denn Ibrahim Pascha mußte jetzt den gegen Hydra geplanten Handstreich aufgeben. Von einem solchen konnte für's erste nicht mehr die Rede sein. Henry d'Albaret änderte nun seine am 20. Oktober gefaßten Pläne. Daß er sich dem den Hydrioten zu Hilfe geeilten Freiwilligenkorps anschloß, war hinfort nicht mehr nötig. Er beschloß vielmehr, in Korfu die Vorgänge abzuwarten, die auf diese Schlacht bei Navarino naturgemäß folgen mußten.
    Auf alle Fälle ließ sich jetzt wohl annehmen, daß über Griechenlands Schicksal keine Zweifel mehr schwebten, daß Europa es nicht zermalmen lassen würde, daß in absehbarer Zeit der Halbmond der Freiheitsflagge das Feld räumen würde, daß Ibrahim Pascha, der sich schon auf das mittlere Land und die Küstenstädte im Peloponnes gedrängt sah, schließlich gezwungen sein würde, auch diese letzten Plätze zu räumen.
    An welchen Punkt der Halbinsel sollte sich unter solchen Umständen Henry d'Albaret begeben? Jedenfalls rüstete sich Oberst Fabvier zum Abmarsch von Mitylene, um den Feldzug gegen die Türken auf der Insel Scio zu eröffnen; seine Rüstungen nahmen aber sicher noch einige Zeit in Anspruch. Es lag also gar keine Veranlassung vor, an sofortigen Aufbruch zu denken.
    In solcher Weise beurteilte der

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