Der Archipel in Flammen
jenes von der Natur aufgeworfenen Dammes, an welchem sich die Wut der Nordweststürme bricht, die aus dem Schlauche von gewaltiger Länge, den das Adriatische Meer darstellt, über das Ionische Meer hinfegen.
Den Kamm der letzten Höhenzüge im Osten erhellte noch die scheidende Sonne; schon verdunkelte aber nächtlicher Schatten die weite Reede.
Diesmal hätte die Mannschaft meinen können, die "Karysta" würde in Navarino vor Anker gehen. Sie steuerte nämlich direkt in die Enge von Megalo-Thuro im Süden der schmalen Insel Sphakteria, die sich über eine Länge von etwa 4000 Meter erstreckt. Dort erhoben sich schon zwei Grabmäler, errichtet zweien der edelsten Opfer, die der Freiheitskampf gefordert hatte: das Denkmal des im Jahre 1825 ermordeten französischen Kapitäns Mallet und im Hintergrunde einer Grotte dasjenige des Grafen Santa-Rose, eines italienischen Philhellenen, ehemaligen Ministers von Piemont, der im selben Jahre für die nämliche Sache den Heldentod starb.
Knapp zehn Kabellängen war die Sakolewa nur noch von der Stadt, als sie umlegte, mit dem Focksegel dem Winde zugewandt. Ein rotes Fanal stieg jetzt herauf, wie vordem der schwarze Wimpel, und wiederum an der Spitze der großen Raa. Doch auch auf dieses Signal erhielt die "Karysta" keine Antwort. Sie hatte also nichts auf dieser Reede zu verrichten, auf der sich zur Zeit eine stattliche Zahl türkischer Schiffe befand. Die "Karysta" manövrierte nun so, daß sie an dem fast in der Mitte gelegenen, grau in grau gehaltenen Eilande Kuloneski vorbei und dem Gestade von Sphakteria wieder nahe kam. Auf Kuloneski waren im Anfangsjahr des Kriegs, 1821, mehrere hundert Türken überfallen, gefangen genommen und dem Hungertode überantwortet worden, trotzdem sie sich nur auf die Zusage, auf türkischen Boden überführt zu werden, ergeben hatten. Vier Jahre nachher, 1825, als Ibrahims Truppen das von Maurocordato persönlich verteidigte Sphakteria belagerten, wurden zur Vergeltung hierfür achthundert Griechen niedergemacht.
Die Sakolewa steuerte nun in die Enge von Sikia, die sich im Norden der Insel, zwischen dem Vorgebirge Koryphasion und ihrer Nordspitze gelegen, auf eine Breite von 200 Metern erstreckte. Wer sich in dieses Fahrwasser hinein wagte, mußte dasselbe ganz genau kennen, denn es ist für Fahrzeuge mit nur einigem Tiefgang fast unpassierbar. Aber Nikolas Starkos steuerte, gleich dem besten Lotsen der Reede, kühn zwischen den steilen Felsen der Spitze der Insel hindurch und um das Vorgebirge von Koryphasion herum. Als er vor der Reede mehrerer Geschwader ansichtig wurde, einiger dreißig französischen, englischen und russischen Schiffe, ging er ihnen behutsam aus dem Wege, fuhr in der Nacht an der messenischen Küste hin, segelte zwischen dem Festland und der Insel Prodana hindurch und fuhr mit Tagesanbruch, von einer frischen Südostbrise getragen, an dem scharfgewundenen Gestade hin durch die friedlichen Gewässer des Busens von Arkadia.
Da stieg die Sonne über dem Gipfel jenes Ithome herauf, von dem aus der Blick über das alte Messene hin auf der einen Seite über den Golf von Koron, auf der andern über den Golf hin reicht, dem die Stadt Arkadia ihren Namen gegeben hat. Weithin, von der Brise beim Schein der ersten Sonnenstrahlen leicht gekräuselt, glitzerte das Meer. Vom Morgengrauen an steuerte Nikolas Starkos sein Schiff so, daß er der Stadt, die auf einer der eingebuchteten Küstenstellen an der offnen breiten Reede lag, so nahe wie möglich kam.
Gegen 10 Uhr trat der Oberbootsmann auf das Hinterdeck und postierte sich in der Haltung eines Untergebenen, der auf Befehle wartet, vor den Kapitän.
Der ganze gewaltige Gebirgssattel des arkadischen Hochlands rollte sich nun im Osten auf. In mittlerer Höhe Dorfschaften, versteckt in den dichten Oliven- und Mandelhainen und Weingeländen; Bäche, die zwischen Myrten- und Lorbeerhainen einem größeren Gewässer zufließen; auf alle Höhen, an alle Bergrücken geklebt, allen Himmelsrichtungen sich anschmiegend, Tausende von Anpflanzungen jener berühmten Reben von Korinth, die keinen Zoll Boden frei ließen; tiefer unten, auf den ersten Terrassen, die roten Häuser der Stadt, die wie große Straminfetzen auf dem Fond eines Cypressenvorhangs glitzern: so ungefähr zeigt sich dieses herrliche Panorama einer der schönsten, an malerischen Eindrücken reichsten Küsten des Peloponnes.
Je näher man aber an Arkadia herankam, an jenes alte Kyparissia, das zur Zeit des Epaminondas
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