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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Mannschaft und dem tagsvorher in Vitylo geworbenen Sukkurs – im ganzen waren es einige zwanzig Mann, die, weil der zweite Offizier zur Zeit nicht an Bord war, unter dem Befehl eines einfachen Hochbootsmanns standen, der aber bloß das Sprachrohr des Kapitäns war.
    "Viel redet er nicht gerade, der Kapitän!"
    "So selten wie möglich; aber wenn er redet, hat's Hand und Fuß und heischt auf der Stelle Gehorsam."
    "Wohin fährt denn die "Karysta"?"
    "Das weiß man niemals."
    "Mohrenelement! wir sind auf Treu und Glauben geworben, und da kann's uns schließlich gleichgiltig bleiben."
    "Stimmt! und verlassen könnt ihr euch darauf, daß es immer dorthin gehen muß, wohin der Kapitän uns führt."
    "Aber mit ihren beiden Kanonen kleinen Formats auf dem Vorderschiff kann sich die "Karysta" doch nicht einfallen lassen, Jagd auf Kauffahrteischiffe des Archipels zu machen?"
    "Piraterie ist auch nicht ihre Aufgabe. Kapitän Starkos hat dazu andere Schiffe, voll armierte Schiffe mit ausreichender und tüchtiger Besatzung. Die "Karysta" dient ihm gewissermaßen als Vergnügungsjacht. Ihr merkt's ja selber, wie harmlos sie aussieht, und dies harmlose Aussehen ist's ja, worauf die Kreuzer, Franzosen und Briten, Griechen und Türken, so gründlich hereinfallen."
    "Aber die Prisen-Anteile ...?"
    "Prisen-Anteile fallen denen zu, die Prisen machen, und zu denen werdet ihr schon auch gehören, wenn die Sakolewa ihre Fahrtbestimmung erfüllt hat. Die Hände behaltet ihr schon nicht im Schoße, das laßt euch gesagt sein! und wenn's Gefahr setzt, setzt's auch Profit, das laßt euch gesagt sein!"
    "Also gibt's jetzt in den Gewässern von Griechenland und seinen Inseln nichts zu tun?"
    "Nichts! noch weniger im adriatischen Meere, wenn den Kapitän die Laune anwandeln sollte, dorthin zu steuern ... Bis auf neues Kommando sind wir also ehrsames Seevolk an Bord einer ehrsamen Sakolewa, die auf ehrsamer Fahrt begriffen ist im Ionischen Meere ... aber das Blättchen wird sich wenden!"
    "Und je früher, desto bester!" Die neu geworbene Mannschaft gab, wie man sieht, dem alten Stamme nichts nach, wenn es Prisen zu machen galt oder wenn es Arbeit vorm Feinde gab. Bedenken, Gewissensbisse, ja auch nur bloße Vorurteile in solcher Hinsicht durfte man bei dieser ganzen Küstenbevölkerung des untern Magnos nicht suchen. Die Leute waren tatsächlich des Mannes würdig, der das Kommando über sie führte, und dieser Mann wußte genau, daß er sich auf sie verlassen konnte.
    Den Kapitän kannten nun wohl die Leute von Vitylo, nicht aber den zweiten Offizier an Bord, der sowohl Seemann war als Kaufmann – den Judas des Kapitäns, mit einem Worte! das war ein gewisser Skopelo, gebürtig auf Cerigotto, einem an der südlichen Grenze des Archipels, zwischen Cerigo und Kreta gelegenen und gar übel beleumundeten Eiland. Und weil sie ihn nicht kannten, darum wandte sich jetzt einer von der neugeworbenen Mannschaft an den Hochbootsmann mit der Frage:
    "Na, und der Leutnant?"
    "Der Leutnant ist gar nicht an Bord," ward ihm zur Antwort.
    "Kriegt man ihn nicht zu sehen?"
    "Doch!"
    "Wann?"
    "Sobald es notwendig sein wird, daß man ihn sieht."
    "Wo steckt er denn?"
    "Dort, wo er stecken muß!"
    Mit dieser Antwort, die keine war, mußte man sich abfinden. Uebrigens rief jetzt die Pfeife des Hochbootsmanns alle Mann auf Deck, die Schoten zu steifen. Das machte dem Geschwätz auf dem Verdeck mit einemmal ein Ende.
    Um im Abstand von einer Meile an der Küste zu bleiben, mußte schärfer geluvt werden. Um Mittag herum trat die "Karysta" in Sicht von Modon. Aber Modon war nicht das Ziel ihrer Fahrt. Sie ging also nicht bei dieser kleinen, auf den Trümmern des alten Methone erbauten Stadt vor Anker, die auf der Spitze eines Vorgebirges liegt, das seine Felsgrate nach der Insel Sapienza zu wendet. Bald verschwindet hinter solchem scharfen Schroffe der an der Hafeneinfahrt errichtete Leuchtturm.
    Inzwischen war an Bord der Salolewa ein Signal gezogen worden: ein schwarzer Wimpel mit rotem Halbmond war an der Spitze der großen Raa gehißt worden. Vom Lande her erfolgte aber keine Antwort. Deshalb wurde die Fahrt in nördlicher Richtung fortgesetzt.
    Abends gelangte die "Karysta" vor die Einfahrt zur Reede von Navarino, einer Art großen Sees auf hoher See, der in einen Saum hoher Berge gefaßt ist. Auf einen Moment trat die von der wirren Masse ihrer Citadelle überragte Stadt durch das Tor eines gigantischen Felsens hindurch in Sicht. Hier lag die äußerste Spitze

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