Der Archipel in Flammen
mußte, wie von ihnen die Vorgänge auf dem Kriegsschauplatze aufgefaßt und taxiert wurden, welchen Profit sie daraus zu ziehen gedachten, darüber läßt sich ein Urteil nur allzu leicht bilden.
"Wie steht es zur Zeit in Griechenland?" fragte der Kapitän.
"Wohl noch so, wie Ihr es verlassen habt, Kapitän!" versetzte Skopelo; "die "Karysta" kreuzt doch nun reichlich vier Wochen an der Küste von Tripolis und wahrscheinlich habt Ihr seit Eurer Ausfahrt keine Nachricht vom Kriegsschauplatz bekommen."
"Nein, keine!"
"Eins will ich Euch melden, Kapitän: die türkischen Schiffe liegen in Bereitschaft, Ibrahim Pascha mit seinen Soldaten nach Hydra zu bringen."
"Jawohl," antwortete Nikolas Starkos; "ich habe sie gestern abend selber gesehen, als ich die Rede von Navarino passierte."
"Seit Eurer Ausfahrt von Tripolis seid Ihr nirgends gelandet?" fragte Skopelo.
"Doch ... einmal! ich war ein paar Stunden in Vitylo ... um die Mannschaft vollzählig zu machen. Aber seit wir die Küsten von Magnos aus dem Gesicht gekommen, ist mir vor meiner Ankunft in Arkadia auf kein Signal Antwort gegeben worden."
"Wahrscheinlich kein Grund dazu dagewesen," versetzte Skopelo.
"Sprich," fuhr Nikolas Starkos fort, "was treiben zur Zeit Miaulis und Kanaris?"
"Beide sind auf den Kleinkrieg angewiesen, Kapitän! müssen es probieren mit Handstreichen, die bloß keine Erfolge bringen können, niemals einen wirklichen Sieg ... drum haben die Seeräuber, so lange die beiden Jagd machen auf Türkenschiffe, leichtes Spiel im ganzen Archipel!"
"Und spricht die Welt noch immer von ...?"
"Von Sakratif?" ergänzte Skopelo, die Stimme leicht senkend; "jawohl! überall ... und allezeit, Nikolas Starkos, und bloß seine Sache ist's, daß noch mehr von ihm gesprochen wird!"
"Es wird mehr von ihm gesprochen werden!"
Nikolas Starkos war, nachdem er sein Glas Raki ausgetrunken hatte, das Skopelo von neuem füllte, aufgestanden, ging in der Gaststube auf und nieder, blieb dann vor dem Fenster stehen, kreuzte die Arme über der Brust und lauschte dem derben Gesange der türkischen Soldaten, der aus der Ferne herüberschallte. Endlich setzte er sich wieder Skopelo gegenüber und gab dem Gespräch ganz schroff eine andere Wendung.
"Aus deinem Signal habe ich gesehen, daß du Gefangenenfracht hier hast?" fragte er.
"Jawohl, Nikolas Starkos," versetzte Skopelo, "genug für eine Barkasse von 400 Tonnen! alles, was von dem Gemetzel nach der Niederlage bei Kremmydi noch übrig ist! Mord und Brand! Diesmal haben's die Türken ein bißchen zu arg gemacht! wenn's nach ihnen gegangen wäre, so wäre kein einziger Sklave geblieben!"
"Es sind Männer und Weiber?"
"Jawohl, und Kinder auch ... alles vertreten!"
"Wo stecken sie?"
"In der Citadelle von Arkadia."
"Hast sie teuer bezahlt?"
"Hm! sonderlich entgegenkommend war der Pascha nicht gerade!" versetzte Skopelo; "er denkt, mit dem Unabhängigkeitskriege dürfte es zu Ende gehen ... leider! Gibt's keinen Krieg mehr, dann gibt's keine Schlachten mehr, und ohne Schlacht keine Razzia, wie es unten in der Berberei heißt, und ohne Razzia keine Ware, weder Menschen noch andere! Werden die Gefangenen aber rar, dann steigen sie im Preise, Kapitän! es muß nun einmal jeder sehen, wo er bleibt! Aber ich weiß aus guter Quelle, daß jetzt Sklavenmangel auf den afrikanischen Märkten herrscht! – wir haben also Aussicht, was wir noch haben, zu sehr guten Preisen an den Mann zu bringen!"
"Kann sein!" versetzte Nikolas Starkes; "ist alles bereit, und kannst du an Bord kommen?"
"Alles in Bereitschaft! mich hält hier nichts mehr!"
"Gut, Skopelo! in 8–10 Tagen spätestens wird das Schiff von Skarpanto herüber kommen und die Fracht abholen. Sie wird doch ohne Anstand ausgeliefert?"
"Ohne Anstand, es ist alles abgemacht," versetzte Skopelo; "aber gegen Kasse! wir müssen also zuvor mit Elisundo, dem Bankier, verhandeln, daß er unsre Tratten zeichnet. Sein Giro genügt; Tratten mit dem Giro Elisundo wird der Pascha nehmen als Bargeld!"
"Ich will an Elisundo schreiben, daß ich binnen kurzem in Korfu vor Anker gehen und dies Geschäft ins reine bringen will ..."
"... und ein anderes mit, das wohl nicht weniger dringlich ist, Nikolas Starkos!" setzte Skopelo hinzu.
"Vielleicht!" entgegnete der Kapitän.
"Wäre wahrhaftig nicht mehr als recht und am Platze!" sagte Skopelo; "Elisundo ist reich, wie es heißt sehr reich, und was ihn reich gemacht hat, ist doch bloß sein Handel mit uns ... und dabei laufen doch
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