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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der wichtigste Hafen von Messenien war, zur Zeit der Kreuzzüge zu einem Lehen Ville-Hardouins wurde: desto trübseliger gestaltete sich das Bild, desto tieferes Weh mußte Menschen beschleichen, in deren Herzen noch Raum ist für pietätvolle Erinnerungen!
    Zwei Jahre früher hatte Ibrahim Pascha die Stadt zerstört, Kinder, Weiber und Greise gemordet! In Trümmern lag ihre alte, auf der Stätte der einstigen Akropolis gebaute Burg; in Trümmern ihre von fanatischen Muselmanen verwüstete Sankt-Georgskirche; in Trümmern lagen ihre Wohnstätten und öffentlichen Bauten!
    "Deutlich zu sehen," flüsterte Nikolas Starkos, der vor diesem Bilde grausiger Verwüstung kein Mitleid fühlte, "daß, unsere Freunde aus Aegypten hier gewesen sind!"
    "Und nun sind die Türken hier Herren," versetzte der Oberbootsmann.
    "Ja ... auf lange Zeit hin ... und, wie man hoffen darf, auf immer!" setzte der Kapitän hinzu.
    "Legt die Karysta hier an oder fahren wir weiter?"
    Nikolas Starkos beobachtete scharf das Gestade, von dem er nur wenige Kabellängen noch entfernt war. Dann richteten sich seine Blicke auf die eine Meile weiter im Hintergrunde, auf einem Vorwalle des Psykhro, eines Berges von stattlicher Höhe gelegene Stadt. Er schien unschlüssig, was angesichts von Arkadia zu tun geraten sei: an der Mole zu landen oder wieder in See zu stechen.
    Der Bootsmann wartete noch immer auf Antwort auf seine Frage.
    "Zieht das Signal!" sprach endlich Nikolas Starkos.
    Das rote Wimpel mit dem silbernen Halbmond stieg an die Raa hinauf und flatterte in der Luft.
    Kurz darauf flatterte ein ähnliches Wimpel an der Spitze eines am Hafentore errichteten Mastes.
    "Ans Land!" befahl der Kapitän.
    Das Steuer wurde gesenkt und die Sakolewa drehte bei. Als sie die Einfahrt gewonnen hatte, ließ sie sich von der Flut tragen. Bald wurden die Focksegel eingeholt, dann das große Segel, und die "Karysta" glitt unter ihrem Klüver bis an die Mole. Dort wurde Anker geworfen, dann ein Boot ins Wasser gelassen und mit vier Ruderern bemannt, das im Nu vor einer kleinen steinernen Treppe lag, die in den Hafenfelsen ausgehauen war.
    Dort stand ein Mann, der den Kapitän mit den Worten begrüßte:
    "Skopelo harrt Eurer Befehle, Nikolas Starkos!"
    Eine freundliche Bewegung mit der Hand war die ganze Antwort von seiten des Kapitäns.
    Er ging voraus, die Terrasse hinauf, bis er die ersten Häuser der Stadt erreicht hatte. Ueber die Trümmer der letzten Belagerung hinweg, mitten durch die von türkischen und arabischen Soldaten gefüllten Gassen lenkte er die Schritte zu einer ziemlich unversehrt gebliebenen Herberge, die den Minervakopf als Schild führte. Hier trat er mit seinem Begleiter ein.
    Kurz darauf saßen sie in der Gaststube, vor sich zwei Gläser und eine Flasche Raki, über Goldwurz destillierter starker Schnaps. Zigaretten wurden aus dem hellen, wohlriechenden Missolunghi-Tabak gedreht, angesteckt und geraucht; dann nahm die Unterhaltung zwischen den beiden Männern ihren Anfang, von denen der eine mit sichtlichem Behagen den untertänigen Diener des andern zu spielen schien.
    Ein böses, gemeines, hinterhältiges, nichtsdestoweniger kluges Gesicht, das dieser Skopelo hatte! Wenn man ihn auf fünfzig Jahre schätzte, so traf man wohl das rechte, wenngleich er etwas älter aussah. Das richtige Pfandleihergesicht mit kleinen falschen, aber lebendigen Augen, einer krummen Nase, Händen mit Hakenfingern und Füßen von erstaunlicher Länge: Füßen, auf die sich die Redensart hätte anwenden lassen, die von den Füßen der Albanesen gebraucht wird: "wenn die große Zehe in Macedonien steht, steht die Ferse noch in Böotien!" Ein rundes Gesicht ohne Schnurrbart, mit ein paar grauen Stoppeln am Kinn; ein kräftiger Kopf mit kahler Schädelkuppe auf einem mager gebliebenen Körper von mittlerer Größe.
    Dieser echte Typus der arabischen Juden von christlicher Abkunft trug ein äußerst schlichtes Gewand: die Jacke und Weste des Levante-Matrosen, mit einer Art weiten Faltenkittels darüber.
    Skopelo war ganz der Geschäftsmann, den solches Seeräubergesindel, wie es im griechischen Archipel hauste, zur Wahrung seiner Interessen brauchte: Aeußerst gewandt in der Unterbringung von Beute in Gestalt von Ware ebensowohl wie im Verkauf von Kriegs- und andern Gefangenen, die auf die türkischen Handelsmärkte und in die Barbareskenstaaten geschafft wurden.
    Welcher Art ein Gespräch zwischen Nikolas Starkos und Skopelo sein konnte, um welche Dinge es sich drehen

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