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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Erinnerungen auf, die einem Sohne Griechenlands das Herz hätten zusammenschnüren müssen, wenn dieser Sohn nicht seit Jahren schon zum Verleugner und Verräter seiner Mutter geworden wäre!
    "Missolunghi!" sagte Skopelo, indem er mit der Hand gen Nordosten zeigte. "Alberne Menschen! Dummes Gesindel, das sich lieber in die Luft sprengen läßt, als sich ergibt!"
    Dort hätte sich allerdings vor zwei Jahren für Gefangenen-Aufkäufer und Sklavenverkäufer kein Geschäft machen lassen. Nach zehnmonatlichem Ringen hatten die in Missolunghi belagerten Griechen, von den Strapazen zermartert, vom Hunger erschöpft, Stadt und Feste in die Luft gesprengt, statt sich an Ibrahim Pascha zu ergeben. Männer, Weiber, Kinder, alles war bei der Explosion umgekommen, die nicht einmal die Sieger verschonte. Und im Jahre zuvor, fast an derselben Stelle, wo das Griechenvolk Marco Botsaris, einen der Heroen des Unabhängigkeitskrieges, beerdigt hatte, war Lord Byron, dessen sterbliche Ueberreste noch immer keine Ruhestatt in Westminster gefunden haben, trotzdem er einer der herrlichsten Söhne der britischen Erde ist, entmutigt und verzweifelt gestorben. Aber sein Herz ist auf griechischer Erde verblieben, die er so heiß geliebt hat und der die Freiheit, für die er begeistert schwärmte, erst nach seinem Tode zuteil wurde.
    Eine heftige Gebärde war die ganze Antwort, die Nikolas Starkos auf Skopelo's Bemerkung hin machte. Dann nahm die Sakolewa, die sich rasch aus dem Golfe von Patras entfernte, Kurs auf Kefalonia.
    Bei so günstigem Winde vom Lande her waren nur wenige Stunden notwendig, um die Entfernung zwischen Kefalonia und Zante zurückzulegen, zumal die "Karysta" keine Veranlassung fand, in Argostoli, der Hauptstadt, anzulaufen, deren Hafen, wenn er auch nur geringe Tiefe hat, darum doch zu den besten für Fahrzeuge mittleren Tonnengehaltes rechnet. Die "Karysta" steuerte kühn in die engen Fahrstraßen hinein, die sich um die Ostküste von Kefalonia ziehen, und erreichte gegen 6 Uhr abends die Spitze von Thiaki, dem Ithaka des Altertums.
    Diese Insel von acht Meilen Länge bei anderthalb Meilen Breite ist eine seltsame Felseninsel von grandioser Wildheit, besitzt großen Reichtum an Oel und Wein und zählt etwa ein Dutzend tausend Einwohner. An sich von keiner geschichtlichen Bedeutung, ist es im Altertum durch Odysseus und Penelopeia, deren Vaterland es war und an die noch die Gipfel des Anogi, die Höhle im Sankt-Stefansberge in den Ruinen auf dem Berge Oetos, in den Gefilden Eumeas, am Fuße des sogenannten Rabenfelsens, auf welchem die poetischen Wasser der Arethusa-Quelle entspringen sollten, zu hoher Schönheit gelangt.
    Bei sinkender Nacht war das Land des Sohnes des Laertes allmählich im Schatten verschwunden, etwa ein Dutzend Meilen jenseits vom letzten Vorgebirge von Kefalonia. Zur Nachtzeit gewann die "Karysta" mehr offne See, weil sie dem engen Kanal ausbiegen mußte, der die Nordspitze Ithakas von der Südspitze Santa Mauras trennt, und fuhr etwa zwei Meilen vom Ufer an der Ostküste dieser Insel entlang.
    Bei hellem Mondschein würde man von hier aus eine Art weißer Uferwand, wenn auch kaum deutlich, bemerkt haben, die etwa 180 Fuß hoch über das Meer heraufragt, nämlich den durch Sappho und Artemisia, die von hier aus den Tod gesucht haben sollen, als "Leukates Sprung" berühmten Felsen. Aber von dieser, noch heute den Namen Leukate tragenden Insel verblieb bei aufsteigender Sonne im Süden keine Spur mehr, und die Sakolewa verfolgte nun an der albanesischen Küste hin die Richtung nach Korfu.
    Etwa 20 Meilen waren an diesem Tage noch zu fahren, wenn Nikolas Starkos vor Einbruch der Nacht noch in den Gewässern der Hauptstadt dieser Insel einlaufen wollte.
    Die kühne und flinke "Karysta", die soviel Segelzeug gesetzt hatte, daß sie mit ihrem Bord fast auf der Wasserfläche lag, bezwang diese Aufgabe leicht. Die Brise hatte sich erheblich verstärkt. Der Steuermann mußte scharfen Ausguck halten, um unter so hohem Segeldruck nicht in Gefahr zu kommen. Zum Glück waren die Masten fest und sicher, das Takelwerk so gut wie neu und von vortrefflicher Beschaffenheit. Kein Reff wurde eingezogen, keine einzige Bonnette gesenkt.
    Die Sakolewa schoß durch das Wasser, als wenn es sich um den ersten Preis bei einer internationalen Wettfahrt gehandelt hätte, an dem Eilande Paxos vorbei. Nach Norden hin zeigte sich bereits das Profil der ersten Höhen von Korfu, zur Rechten an der albanesischen Küste, fern am

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