Der Archipel in Flammen
Horizont, die Zackenkette des Akrokeraunischen Gebirges. Ein paar Kriegsschiffe unter britischer, zum Teil auch türkischer Flagge kamen in diesen ziemlich stark befahrenen Gewässern des Ionischen Meeres in Sicht. Die "Karysta"" ging weder den einen noch den andern aus dem Wege. Wäre ihr das Signal beizulegen gegeben worden, so würde sie unbedenklich gehorcht haben, denn sie führte weder Fracht noch Konsignation an Bord, die ihre Herkunft hätten verraten können.
Gegen vier Uhr nachmittags faßte die Sakolewa schärfer Wind, um in den Kanal Einfahrt zu gewinnen, der Korfu vom Festlande scheidet. Die Schoten wurden gesteift und der Mann am Ruder luvte um eine Quart, um das Kap Blanco an der Südspitze der Insel zu nehmen.
Dieses erste Stück des Kanals ist lachender als sein nördlicher Teil. Schon hierdurch bildet er einen glücklichen Gegensatz zu der noch so gut wie unkultivierten, halb wilden Küste. Ein paar Meilen weiter verbreitet sich der Kanal durch die Ausbuchtung, welche die korfiotische Küste hier aufweist. Die Sakolewa konnte also an Fahrt gewinnen, indem sie schrägen Kurs nahm, und passierte gegen 5 Uhr, nahe dem Eilande des Odysseus, die Oeffnung, welche den See Kalikiopulo, den Hylläischen Hafen des Altertums, mit dem Meere verbindet. Dann folgte sie den Umrissen jener lieblichen "Cannone", die mit Aloe und Agaven bepflanzt ist und bereits von den Gefährten und Reitern belebt wird, die eine Meile südlich von der Stadt in der erquickenden Luft sich an dem herrlichen Panorama weiden, dessen Horizont auf dem andern Kanalufer die albanesische Küste bildet. Vorüber an der Bai von Kardakio und den sie überragenden Ruinen, vorbei an dem Sommerpalaste des Lord-Oberkommissariats, ließ die "Karysta" die Bucht von Kastrades, auf der sich die Vorstadt gleiches Namens in der Runde hinzieht, dann die Strada Marina, mehr Promenade als Straße, das Zuchthaus, das alte Fort Salvador und die ersten Gebäude der korfiotischen Hauptstadt zur Linken, segelte um das Kap Sidero, das die Citadelle trägt, gleichsam eine kleine Militärstadt für sich und doch groß genug, um Platz für die Kommandanturgebäude, die Offiziersquartiere, ein Spital und eine griechische Kirche zu bieten, die von den Briten in ein protestantisches Gotteshaus umgewandelt worden ist – endlich, nach kurzer Biegung in westlicher Richtung, um die Landspitze San Nicolo, von da an dem Ufer vorbei, hinter welchem die Gebäude des nördlichen Stadtteils aufsteigen, und bis auf eine halbe Kabellänge an die Mole heran, um da Anker zu werfen.
Das Boot wurde bemannt, Nikolas Starkos und Skopelo stiegen ein – der erstere nicht ohne daß er eins jener Messer mit kurzer, breiter Klinge, wie sie in den Landstrichen Messeniens stark im Brauche sind, in den Gürtel geschoben hatte. Die beiden Männer gingen bei der Sanitätswache ans Land und legten dort ihre Schiffspapiere vor, die in völliger Ordnung befunden wurden. Es stand ihnen hiernach frei sich nach Belieben hierhin oder dorthin zu begeben, und nach kurzer Verabredung, sich um 11 Uhr zu treffen, um sich zusammen an Bord zu begeben, trennten sie sich.
Skopelo begab sich, um für die "Karysta" allerhand Geschäfte zu besorgen, in die engen kurzen krummen Gassen und Gäßchen der Handelsstadt mit ihren italienischen Namen, unter die "Lauben", mit den Kauf- und Schauläden, in das dichte bunte Gewühl eines echt neapolitanischen Stadtviertels.
Nikolas Starkos dagegen wollte diesen Abend benutzen, um "zu horchen" – wie man im Volksmunde sagt. Zu dem Zwecke begab er sich auf die "Esplanade", den vornehmsten Teil der korfiotischen "City".
Diese Esplanade oder der Paradeplatz, zu beiden Seiten mit herrlichen Bäumen bepflanzt, erstreckt sich zwischen der Stadt und der Citadelle, von der sie durch einen breiten Graben geschieden wird. Fremde und Einheimische bildeten dort ein unaufhörliches Wogen und Treiben, das aber einen nichts weniger als festlichen Anstrich an sich hatte. Stafetten eilten in den auf der Nordseite des Platzes befindlichen Palast, der von dem britischen General Maitland erbaut worden ist, und verließen denselben durch das Sankt-Georgs- oder Sankt-Michaels-Tor, die sich zu beiden Seiten der weißen Kalkstein-Fassade erheben. Zwischen dem Gouverneurspalast und der Citadelle mit dem Standbilde des Generals Schulenburg, fand ein unablässiger Meldeverkehr statt.
Nikolas Starkos mischte sich unter die Menge. Er erkannte auf der Stelle, daß dieselbe unter dem Eindruck
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