Der Archipel in Flammen
Bitten von der einen und Drohungen von der andern Seite. Ganz ohne Frage! um Liebe handelte es sich nicht bei Nikolas Starkos, wenn er Elisundos Tochter zum Weibe begehrte, sondern einzig und allein um den Besitz der Millionen. Nach ihnen trachtete er, und kein Grund, kein Vorhalt vermochte ihn von diesem Ziele abzubringen.
Hadschina hatte nichts gehört von jenem Schreiben, das die Ankunft des Kapitäns der "Karysta" meldete; aber seit dem Tage, da dies geschehen war, war ihr Vater ihr trauriger, finsterer als sonst erschienen, ganz so, wie wenn ihn eine heimliche Sorge bedrückte. Kein Wunder, daß sie sich einer noch lebhafteren Unruhe nicht zu erwehren vermochte, als sich Nikolas Starkos im Bankhause einfand. Sie hatte den Mann während der letzten Kriegsjahre öfter bei ihrem Vater gesehen, kannte ihn also; er hatte ihr immer einen Abscheu eingeflößt, über den sie sich Rechenschaft nicht geben konnte. Er maß sie, wie es schien, mit Blicken, die ihr wohl oder übel mißfallen mußten, obgleich er immer nur Worte ohne Belang an sie gerichtet hatte, wie schließlich jeder andere Kunde der Firma auch. Aber dem jungen Mädchen war es nicht entgangen, daß ihr Vater immer, wenn dieser Mann dagewesen war, und immer eine ganze Zeitlang, in eine niedergedrückte Stimmung verfiel. Daher ihre Abneigung gegen Nikolas Starkos, für die bis zur Zeit wenigstens ein gerechter Grund nicht vorhanden war.
Hadschina Elisundo hatte mit Henry d'Albaret noch kein Wort über diesen Mann gesprochen. Was ihn mit dem Bankhause verknüpfte, konnten ja doch bloß Angelegenheiten geschäftlicher Natur sein. Hierüber wußte sie nun aber so gut wie gar nicht Bescheid, und über solche Dinge wurde zwischen ihnen niemals gesprochen. Der junge Offizier hatte also keine Ahnung von den Beziehungen, die einesteils zwischen Nikolas Starkos und dem Bankier, andernteils zwischen Nikolas Starkos und jener tapfern Griechin vorhanden waren, der er in dem Treffen von Chaidari das Leben gerettet hatte und die er lediglich unter dem Namen Andronika kannte.
Wie aber Hadschina, so hatte auch Xaris wiederholt Gelegenheit gehabt, Nikolas Starkos im Kontore der Strada Reale zu sehen, und zu begrüßen. Auch er fühlte Widerwillen gegen diesen Mann, ganz wie das junge Mädchen. Bloß äußerten sich bei dem entschlossenen, kräftigen Manne diese Empfindungen wesentlich anders als bei ihr. Ging Hadschina jeder Gelegenheit, ihm zu begegnen, beflissen aus dem Wege, so suchte Xaris solche Gelegenheit weit lieber auf, in der Absicht – wie er sich manchmal äußerte – "ihm, sobald es sich machen ließe, die Rippen zu brechen".
"Ein Recht dazu habe ich ja offenbar nicht," dachte er bei sich, "vielleicht findet sich das aber noch!"
Aus alledem leuchtet hervor, daß der letzte Besuch des Kapitäns der "Karysta" im Kontor des Bankiers Elisundo weder von Xaris noch von dem jungen Mädchen mit Freude wahrgenommen wurde. Kein Wunder, daß sie es beide als eine Erleichterung empfanden, als Nikolas Starkos nach einem Zwiegespräch, über dessen Natur nichts verlautete, das Haus verlassen und den Weg zum Hafen hinunter eingeschlagen hatte.
Eine Stunde lang blieb Elisundo in seinem Kontor. Nicht einmal, daß er sich bewegt hätte! Aber seine Weisungen in dieser Hinsicht waren streng: weder seine Tochter, noch Xaris durften sein Kontor betreten, ohne daß sie gerufen wurden. Da nun aber der Besuch diesmal lange gedauert hatte, war natürlicherweise ihre Besorgnis nach Maßgabe der verflossenen Zeit gestiegen.
Plötzlich klingelte der Bankier – aber es hörte sich an, als hätte eine recht schwache, unsichere Hand die Klingel gerührt.
Xaris eilte zur Kontortür, die nicht mehr von innen verschlossen war, und stand dem Bankier gegenüber, der noch immer in seinem Sessel saß in halb gedrückter Haltung, und ganz so aussah wie jemand, der einen schweren Kampf mit sich geführt habe. Er hob den Kopf, sah Xaris an, als ob er Mühe hätte, ihn zu erkennen, strich sich mit der Hand über die Stirn und fragte:
"Hadschina?"
Xaris nickte und ging hinaus. Kurz nachher befand sich das junge Mädchen bei ihrem Vater. Sogleich richtete dieser, ohne alle Einleitung, aber mit gesenkten Blicken und mit einer durch die Erregung stark veränderten Stimme, die Worte an sie:
"Hadschina ... aus der Heirat mit dem Kapitän Henry d'Albaret ... kann nichts ... kann nichts werden!"
"Was sagst du, Vater?" rief das junge Mädchen, von diesem unvermuteten Schlag mitten ins Herz
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