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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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drängte zum Rande der Esplanade, zur Terrasse hin, wo Sir Maitlands Monument stand. Nikolas Starkos, gebieterisch fortgerissen durch eine vielleicht stärkere Empfindung als die bloßer Neugierde, befand sich im Nu vorn in der ersten Reihe.
    Allmählich trat im hellen Mondlicht die Korvette mit ihren Positionsfeuern in Sicht. In langsamer Fahrt bog sie um die Spitze des Kap Blanco herum, das sich im Süden von der Insel in die See hinaus schiebt. Ein zweiter Kanonenschlag dröhnte von der Citadelle herüber, dann ein dritter – und von der "Syphanta" herüber, ihre Stückpforten aufhellend, dröhnten drei Kanonenschläge als Antwort herüber. Tausendfaches Hurrageschrei antwortete auf die Salve, und ihr letztes Echo gelangte zu der Korvette hinüber in dem Augenblick, als sie die Bucht von Kardakio passierte.
    Dann versank alles in tiefes Schweigen. Allmählich verlief sich die Menge in den Straßen der Vorstadt Kastrades und überließ den Platz den spärlichen Spaziergängern, die noch durch ein geschäftliches Interesse oder aus Lust am Vergnügen auf der Esplanade zurückgehalten wurden.
    Noch eine Stunde lang verweilte Nikolas Starkos, in tiefes Sinnen versunken, auf dem großen Paradefelde, das jetzt so gut wie verödet lag. Aber Stille zog weder in sein Hirn noch in sein Herz. In seinen Augen leuchtete ein Feuer, das die Lider nicht zu verdecken vermochten. Sein Blick starrte, gleichsam zufolge unfreiwilliger Regung, in der Fahrtrichtung, die die hinter der verworrenen Inselmasse entschwindende Korvette genommen hatte.
    Als es an der Sankt Spiridion-Kirche elf schlug, fiel es Nikolas Starkos ein, daß er sich an der Sanitätswache mit Skopelo hatte treffen wollen, und darum schritt er durch die Straßen des Stadtviertels, die zur neuen Feste hin führen. Bald war er auf dem Kai. Dort wartete Skopelo.
    Der Kapitän der Sakolewa trat auf ihn zu.
    "Eben ist die Korvette "Syphanta" in See gestochen!" sagte er.
    "So?" machte Skopelo.
    "Ja ... um auf Sakratif das Jagen zu eröffnen!"
    "Die oder eine andere – was tut's?" lautete Skopelos' einfache Antwort, indem er mit der Hand auf die Gig wies, die sich am Treppenfuße auf den letzten Wellenschlägen der Kabelsee schaukelte.
    Ein paar Minuten später legte das Boot an der "Karysta" an und mit den Worten: "Morgen zu Elisundo!" sprang Nikolas Starkos an Bord.

Siebentes Kapitel.
Der Unerwartete.
    Am Tage darauf, gegen 10 Uhr vormittags, ging Nikolas Starkos an der Mole ans Land und begab sich zu dem Hause des Bankiers. Nicht zum erstenmale erschien er in diesem Kontor, vielmehr wurde er dort immer als ein Kunde empfangen, dessen Geschäfte nicht von der Hand zu weisen seien.
    Elisundo kannte ihn jedoch; Elisundo mußte vieles aus seinem Leben wissen; Elisundo war es auch nicht fremd, daß er der Sohn jener Patriotin war, über die er einmal mit Henry d'Albaret gesprochen hatte. Sonst aber wußte niemand und konnte niemand wissen, wie es um den Kapitän der "Karysta" stand.
    Nikolas Starkos wurde augenscheinlich erwartet, deshalb auch sogleich vorgelassen, als er sich meldete. Der vor 48 Stunden aus Arkadia eingelaufene Brief war nämlich von ihm. Der Bankier schloß, als Nikolas Starkos in seinem Privatkontor stand, der Vorsicht halber die Tür ab.
    Nun standen die beiden Männer einander gegenüber.
    Niemand würde sie stören, niemand würde hören können, was in diesem Zwiegespräch verlautete.
    "Guten Tag, Elisundo," hub der Kapitän der "Karysta" an und ließ sich mit der Ungezwungenheit eines Menschen, der sich zu Hause fühlt, in einen Sessel fallen; "bald ein halbes Jahr ist es nun her, seit ich Sie zum letztenmal gesehen, wenn Sie auch öfter von mir gehört haben. Dicht an Korfu mochte ich doch nicht vorbeifahren, ohne auszusteigen und einen Händedruck mit Ihnen zu wechseln."
    "Bloß um mich zu sehen oder um ein paar freundschaftliche Worte mit mir zu wechseln, sind Sie nicht hergekommen, Nikolas Starkos," versetzte der Bankier mit dumpfer Stimme – "was also ist Ihr Begehr?"
    "Sieh da! sieh da!" rief der Kapitän, "daran erkenne ich meinen alten Freund Elisundo! Von Sentimentalität keine Spur! Geschäftsmann vom Scheitel bis zur Sohle. Es muß lange her sein, seit Sie Ihr Herz im geheimsten Geheimfach Ihres Geldschranks verschlossen – seit Sie den Schlüssel zu diesem Geheimfach verloren haben!"
    "Wollen Sie mir sagen, was Sie herführt und warum Sie mir geschrieben haben?" fragte Elisundo wieder.
    "Im Grunde haben Sie recht, Elisundo! Keine

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