Der Archipel in Flammen
Gemeinplätze, keine Redensarten! Sprechen wir ernstlich! Es gibt für heute sehr wichtige Interessen zu erörtern – Interessen, die keinen Aufschub erleiden!"
"In Ihrem Schreiben sprechen Sie von zwei Geschäften," fuhr der Bankier fort: "einem, das in die Kategorie unserer gewohnten Beziehungen schlägt, und einem andern, das lediglich Ihre Person angeht."
"Sehr richtig, Elisundo!"
"Nun, dann reden Sie, Nikolas Starkos! ich möchte wissen. um was es sich bei den beiden Geschäften handelt."
Der Bankier war in seiner Ausdrucksweise, wie man sieht, sehr bestimmt: leider stand hiermit der dumpfe Ton, in welchem er sprach, nicht im Einklang; ganz augenscheinlich war es von den beiden Männern, die einander hier gegenüber standen, nicht der Bankier, welcher die Lage beherrschte. Kein Wunder, daß der Kapitän der "Karysta" so etwas wie ein Lächeln nicht verbergen konnte, von welchem indessen Elisundo, der die Augen zu Boden gesenkt hielt, nichts wahrnahm.
"Welche der beiden Fragen diskutieren wir zuerst?" fragte Starkos.
"Ich meine: zuerst die, welche Sie allein persönlich angeht," sagte der Bankier mit ziemlich großer Lebhaftigkeit.
"Wir fangen aber doch wohl besser mit der andern an," versetzte der Kapitän in scharfem, allen Widerspruch abschneidendem Tone.
"Meinetwegen, Nikolas Starkos! um was handelt es sich denn?"
"Um einen Gefangenentrupp, den wir in Arkadia übernehmen und nach der Insel Scarpanto schaffen sollen, von wo aus ich ihn an die Küste der Berberei hinüberbringen will: 237 Köpfe, Männer, Weiber und Kinder. Nun wissen Sie ja, Elisundo, aus unseren früheren Geschäften, daß die Türken ihre Ware bloß ausliefern gegen Bargeld oder gegen Tratten mit gutem Giro. Sie sollen mir also die Tratten girieren, Elisundo, und ich verlasse mich darauf, daß Sie mir den Gefallen tun werden, wenn ich Skopelo mit den Tratten sende. – Gilt das als abgemacht – wie?"
Der Bankier gab keine Antwort, aber sein Schweigen ließ sich bloß als ein Ja auf die Frage des Kapitäns auffassen: ließen ihm doch frühere Geschäfte gleicher Art kaum eine andere Wahl!
"Hinzusetzen muß ich," fuhr Nikolas Starkos mit Ungezwungenheit fort, "daß das Geschäft kein schlechtes sein dürfte. Die türkische Sache nimmt in Griechenland eine schlimme Wendung. Die Seeschlacht von Navarino dürfte, da sich die europäischen Mächte nun einmischen, für die Türken unheilvoll ausgehen. Müssen sie den Krieg einstellen, ist's aus mit Kriegsgefangenen, mit Sklavenschacher und Profit. Darum dürften sich für diese letzten Transporte, die man uns noch immer zu ziemlich günstigen Bedingungen läßt, an den Küsten von Afrika Liebhaber zu guten Preisen finden: Wir werden also bei diesem Geschäft mit Vorteil arbeiten, und Sie mit! – Ich darf mich also auf Ihr Giro verlassen?"
"Ich werde Ihnen die Tratten diskontieren," erwiderte Elisundo, "brauche also dann nicht girieren."
"Ganz nach Wunsch, Elisundo," versetzte der Kapitän, "aber Ihr Giro würde uns genügt haben. Früher zögerten Sie nicht damit!"
"Früher ist nicht jetzt," erwiderte Elisundo; "jetzt habe ich andere Meinung über all diese Dinge!"
"Ei! was Sie sagen!" rief der Kapitän; "nun, ganz nach Wunsch, wie gesagt! Aber ist es denn wahr, daß Sie das Geschäft an den Nagel hängen wollen, wie ich von Leuten gehört habe?"
"Jawohl, Nikolas Starkos!" versetzte der Bankier mit festerer Stimme, "und zwischen uns beiden wird dieses Geschäft das letzte sein, das gemacht wird ... sofern Sie es noch machen wollen!"
"Freilich will ich es noch machen, Elisundo!" versetzte Nikolas Starkos schroff.
Dann stand er auf, ging ein paarmal durch das Kontor, aber ohne den Bankier aus den Augen zu lassen, deren Blick nicht eben freundlich oder gar wohlwollend war. Endlich trat er vor ihn hin und fragte spöttisch:
"Meister Elisundo! Sie sind also wohl schwer reich, wenn Sie daran denken, das Geschäft an den Nagel zu hängen?"
Der Bankier gab keine Antwort.
"Hm," machte der Kapitän, "was soll denn aus all den Millionen werden, die Sie verdient haben? mit in die andere Welt hinüber können Sie sie doch nicht nehmen! Wäre doch zu schwere Fracht für diese letzte Reise! An wen fallen sie, wenn Sie mal hinüber sind?"
Elisundo schwieg nach wie vor.
"An Ihre Tochter natürlich fallen sie," fuhr Nikolas Starkos fort, "an die schöne Hadschina Elisundo! die wird Erbin sein der Schätze ihres Vaters! was wäre auch rechter und billiger? Aber was soll sie damit anfangen?
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