Der Archipel in Flammen
Namen in seiner Gegenwart zu nennen," versetzte der junge Offizier, "und weil Euer Name seine Aufmerksamkeit in auffälliger Weise erregte. Einmal hat er mich gefragt, ob mir bekannt sei, was seit unserer Trennung aus Euch geworden sei."
"Ich kenne ihn nicht, Henry d'Albaret, und in meiner Gegenwart ist der Name des Bankiers Elisundo niemals genannt worden."
"Dann waltet auch hier ein Geheimnis ob, für das ich keine Erklärung finden kann und das nun, seit Elisundo nicht mehr am Leben, wohl immer Geheimnis bleiben wird."
Henry d'Albaret war in Schweigen versunken. Seine Erinnerungen an Korfu waren ihm wiedergekehrt. Er litt noch einmal alles durch, was er dort gelitten, er gedachte noch einmal all dessen, was er fern von Hadschina zu leiden haben werde!
Wann wandte er sich plötzlich an Andronika mit der Frage:
"Und was wollt Ihr beginnen, wenn dieser Krieg zu Ende sein wird?"
"Gott wird mir die Gnade erzeigen," antwortete sie, "mich abzurufen von dieser Welt, wo das Leben für mich bloß eine Kette von Herzeleid und Gewissensbissen gewesen ist!"
"Gewissensbisse, Andronika?"
"Ja!"
Und was dieser Mutter nun auf der Zunge lag, war, daß ihr Leben an sich eine Sünde gewesen sei, weil sie solchem Sohne das Leben gegeben! Aber sie jagte diesen Gedanken von sich und sagte:
"O! Sie, Henry d'Albaret! Sie sind jung, und Gott beschere Ihnen ein langes Leben! Verwenden Sie es dazu, die wiederzufinden, die Sie verloren haben und die Sie ..... liebt!"
"Ja, Andronika, und ich will sie suchen überall, gleichwie ich ihn suchen will überall, den abscheulichen Nebenbuhler, der sich zwischen sie und mich geworfen hat!"
"Was war das denn für ein Mensch?" fragte Andronika.
"Ein Schiffskapitän! der Kommandant irgend welches, mir nicht bekannten Schiffs," versetzte Henry d'Albaret, "der Korfu gleich nach Hadschinas Verschwinden verlassen hat."
"Sein Name?"
"Nikolas Starkos!"
"Er!"
Ein Wort mehr, und ihr Geheimnis war ihr entschlüpft; Andronika hätte gesagt, daß sie die Mutter dieses Mannes sei!
Dieser Name, von Henry d'Albaret so unvermutet ausgesprochen, war über sie gekommen wie ein Entsetzen ... So groß ihre Energie war, so hatte sie ihrem Blute doch nicht zu wehren vermocht, daß es den Weg zu ihrem Herzen nahm! sie war entsetzlich bleich geworden! ... Also alles dem jungen Manne, der ihr unter Gefahr des eigenen Lebens das Leben gerettet hatte, widerfahrene Herzeleid stammte von ihrem Sohne! stammte von Nikolas Starkos!
Aber Henry d'Albaret war die Wirkung nicht entgangen, die der Name Starkos, sobald er ihn ausgesprochen hatte, auf Andronika hervorbrachte. Begreiflich, daß er sie auf der Stelle befragte.
"Was ist Euch denn, Andronika? was ist Euch?" rief er. "Warum fuhrt Ihr zusammen, warum erbleicht Ihr ob dieses Namens? Kennt Ihr den, der ihn führt? Kennt Ihr den Kapitän der "Karysta"? Sprecht! .... o bitte, sprecht!"
"Nein! Henry d'Albaret! ... nein!" antwortete Andronika, wider Willen stotternd.
"Doch, Andronika! ... doch! Ihr kennt ihn! ... Andronika! ich bitte Euch, ich beschwöre Euch: sagt mir, wer dieser Mann ist ... was dieser Mensch treibt ... wo er in diesem Augenblick weilt ... wo ich ihn treffen könnte!"
"Ich weiß es nicht!"
"Nein ... Ihr kennt ihn! ... Ihr wißt's, Andronika und wollt es mir nicht sagen ... mir nicht! mir nicht! ... Vielleicht könnt Ihr mich durch ein einziges Wort auf seine Spur hetzen ... vielleicht gar auf Hadschinas Spur ... und Ihr weigert Euch zu sprechen ... weigert Euch mir gegenüber, zu sprechen!"
"Henry d'Albaret," erwiderte Andronika mit einer Stimme, deren Festigkeit sich nicht mehr anzweifeln ließ – "ich weiß nichts! ... ich weiß nicht, wo dieser Kapitän steckt ... ich kenne keinen Nikolas Starkos." Mit diesen Worten verließ sie den jungen Offizier, der unter den Wirkungen einer tiefen Erregung zurückblieb. Aber von jetzt ab war alles Bemühen, Andronika wieder zu treffen, vergeblich. Zweifelsohne hatte sie die Insel Scio verlassen und sich zurück auf das griechische Festland begeben. Henry d'Albaret mußte aller Hoffnung, sie aufzufinden, entsagen.
Zudem sollte der Feldzug des Obersten Fabvier bald zu Ende gehen, ohne daß er zu einem Resultat geführt hatte. Fahnenflucht war bald im Expeditionskorps eingerissen. Gegen die allgemeine Deroute anzukämpfen, war gar nicht möglich. Die Belagerung mußte aufgehoben werden. Das Korps kehrte nach Syra zurück, wo die Expedition, die solch unglücklichen Verlauf nahm, ausgerüstet worden war.
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