Der Architekt
geradegerückt werden. Und dafür werde ich Sie, Herr Götz, in langen Interviewpassagen in dem Buch selbst zu Wort kommen lassen.«
Götz stützte die Hände auf die Lehne des Stahlrohrstuhls, hinter dem er stehen geblieben war. »Ich will als Architekt weiterarbeiten«, sagte er nach einer Weile. »Das ist alles, was mich interessiert. Wenn Seewald den Prozess für mich gewinnt, wenn ich freikomme, will ich nicht, dass all das, was ich aufgebaut habe, in Trümmern liegt. Ich will weitermachen, an genau dem Punkt, an dem ich am 25 . September aufhören musste. Können Sie das mit Ihrem Buch erreichen?
Ben glühte. »Es ist perfekt. Genau das ist die Haltung, die wir brauchen. Wissen Sie was? Hier in der U-Haft, wissen Sie, woran Sie arbeiten sollten? An einem Bau für Häftlinge, einem modernen Gefängnis. Entwerfen Sie ein Gebäude, in dem sich die U-Haft ertragen lässt. Ich werde in meinem Bericht ja Ihre Geschichte erzählen, aber auch von der Zeit berichten, die Sie in der U-Haft verbringen. Und diese Zeit können wir anhand Ihres Entwurfs strukturieren, verstehen Sie? Immer wieder kommen wir darauf zurück, wie Ihr Gefängnisprojekt wächst. Der Architekt, der Welten in seinem Kopf entstehen lässt, auch wenn man ihn gewaltsam daran hindert, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Und am Ende – stiften Sie den fertigen Plan der Stadt!«
Götz’ Augen ruhten auf Ben.
»Währenddessen hält Ihre Familie natürlich zu Ihnen. Das ist ein wichtiger Punkt.« Ben sprach schneller, als er denken konnte. »Ich brauche Termine mit Ihrer Schwägerin, Ihren Eltern, Schwiegereltern. Ich muss berichten, wie sie sich treffen, beraten, wie sie Ihnen helfen können.«
»Haben Sie einen Verlag dafür?«, unterbrach ihn Götz.
»Natürlich! Ich habe denen ein Exposé geschickt, die haben sofort ja gesagt.«
»Bevor sie wussten, ob ich mitmachen würde.«
Ben lachte. »Ja, na ja, da haben sie sich ein Hintertürchen offen gehalten, das stimmt schon …« Ich werde einen Verlag finden, schoss es ihm durch den Kopf, lass dich davon jetzt nicht ablenken. »Aber Sie müssen auch mit Seewald reden, Sie müssen ihm klarmachen, dass ich dabei sein will, wenn er und sein Team die Verteidigungsstrategie weiterentwickeln. Ich will danebensitzen, wenn das Team die Vernehmung der Zeugen vorbereitet, ich will im Auto sein, wenn Sie, Herr Götz, am Abend nach der Urteilsverkündung vom Gerichtsgebäude wieder nach Hause fahren!«
»Unmöglich.« Götz schüttelte Kopf.
»Hören Sie, Götz«, Bens Stimme durchschlug die Luft, »meine Fernsehsachen, die ziehen fünf, sechs Millionen Zuschauer an, begreifen Sie das? Ich weiß, wie man die Menschen fesselt, so wie Sie es verstehen, ein eindrucksvolles Gebäude zu schaffen. Es gibt ein paar Gesetze der Dramaturgie – ja, warum nicht! –, und die müssen befolgt werden. Wir wollen doch keine leblose Pressemitteilung veröffentlichen, die niemand liest, richtig? Wir wollen einen Bestseller! Der Stoff ist da, aber wir müssen ihn auch richtig aufbereiten! Und das heißt, dass wir nicht nur ein Eckchen zeigen können und den Rest nicht. Das merkt der Leser. Wir müssen die Karten offen hinlegen, wir müssen den Leser überallhin mitnehmen, ihn durch jede einzelne Wendung des Mordprozesses regelrecht hindurchführen. Dann wird das Buch ein Erfolg, wie man ihn hierzulande mit einem Gerichtsprozess noch nicht erlebt hat! Das wird verfilmt, das sage ich Ihnen, die Verhandlung wird bekannt werden als der Prozess des Jahrzehnts. Wissen Sie, was das bedeutet? Das Besteck, jede Türklinke, die Sie entworfen haben? Der Wert wird sich verzehn-, verhundertfachen!«
Plötzlich hatte Ben das Gefühl, nichts könne ihn mehr aufhalten, das Gefühl, er könne den Mann, der da vor ihm stand, regelrecht um den Finger wickeln.
»Sie sind in der Branche bekannt, in Berlin, in Deutschland, meinetwegen unter Kennern auch in anderen Ländern – aber mit diesem Buch wird aus Ihnen Kult! In Japan, Italien, Spanien, Frankreich, das ist eine Story, die katapultiert Sie weit über die Grenzen des Landes hinaus. Der Verlag hat gute Kontakte in die USA . Wollten Sie nicht schon längst einmal ein Hochhaus, einen richtigen
Skyscraper
bauen? Die Amerikaner hatten doch schon immer ein Faible für Killer!«
Es war, als würde die Luft in dem Raum schockgefroren. Hatte er das wirklich gesagt? Ben lachte, richtig laut, wie von Herzen. »Ach, kommen Sie, Götz – das war ein Scherz!«
Er hält das aus, rauschte es
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