Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
das Gerät nehmen!«
    »Hat das Krankenhaus von Stalingrad keine Apparatur?«
    »Ja, aber die bekomme ich nicht.«
    »Außerdem muß sie unter ständiger ärztlicher Aufsicht stehen. Wir haben doch im Lager eine ganz gute Lungenstation … dort könnte man sie laufend beobachten …«
    Dr. Kresin warf die Röntgenbilder auf das Bett. »Ins Lager? Sie sind wohl völlig verrückt! Sie können doch Janina Salja nicht zwischen die dreckigen deutschen Gefangenen legen!«
    Schultheiß zuckte mit den Schultern. »Ich bin auch ein dreckiger deutscher Gefangener. Dann machen Sie allein weiter, Dr. Kresin.«
    »Ich könnte sie an die Krim schicken, an das Asowsche Meer. Dort haben wir gute Lungenheilstätten.« Dr. Kresin sagte es langsam und nachdenklich. »Auch am Kaspischen Meer, bei Astrachan, gibt es gute Kliniken. Aber sie will ja nicht hingehen. Sie weigert sich rundweg.«
    »Ich denke gar nicht daran«, schrie Janina Salja plötzlich leidenschaftlich, »ich lasse mir doch nicht von denen eine Plastik machen und mir dabei die ganze Brust zersäbeln.«
    Schultheiß trat auf sie zu. Er legte ihr beruhigend beide Hände auf die Schultern und drückte sie auf einen Stuhl.
    »Es ist ja gar nicht nötig, Fräulein Salja«, sagte er beruhigend, »aber wenn man in diesem Land nicht einmal die simple Apparatur für das Anlegen eines Pneumothorax auftreibt …«
    »Wenn Sie nicht alle Vollmachten von Major Worotilow hätten, schlüge ich Sie jetzt in die Fresse!« brüllte Dr. Kresin wütend, »Sie verfluchter deutscher Hund!«
    Janina sprang auf und legte Kresin ihre Hand auf den Arm. »Warum soll ich nicht mit ins Lager gehen? Wenn es für mich besser ist. Worotilow wird es erlauben.«
    »Genossin Salja!« Dr. Kresin keuchte. »Wenn das in Moskau bekannt wird, wenn eine Inspektion kommt … wir können es nicht!«
    Janina sah Dr. Schultheiß aus ihren fiebrigen Augen an. Ihr Blick war so hell und klar, daß es Schultheiß wie ein Zittern durch den Körper lief. »Als Leiterin der Sanitätsbrigade Stalingrad unterstehen mir auch die Arbeiter des Lagers 5110/47. Sie arbeiten in Stalingrad, sie werden von meiner Brigade betreut auf den Arbeitsplätzen. Wenn eine Kontrolle mich im Lager antreffen sollte, dann kann ich einfach sagen, daß ich die deutschen Arbeiter inspiziere.«
    »Dazu ist Dr. Kasalinsskaja da.«
    »Mit ihr werde ich mich gut verstehen …«
    »Hoffentlich.« Dr. Kresin zuckte mit den Schultern und packte das Stethoskop ein. »Ich werde es dem Major sagen. Auf Wiedersehen, Genossin …«
    »Auf Wiedersehen, Genosse Kresin.«
    Wieder reichte sie Dr. Schultheiß die Hand. Er spürte den Druck ihrer schmalen Finger. Aber ihr Gesicht war unbeweglich und bleich. Die Sonne ließ ihr Haar rot aufleuchten.
    Im Lager hatte der erste Tag mit 100 Gramm Brot weniger begonnen. 100 Gramm – das bedeutete eine Mahlzeit weniger von diesem klitschigen, feuchten, schwer im Magen liegenden Gebäck.
    Das bedeutete siebenmal 100, 700 Gramm Brot weniger in der Woche und damit 700mal verstärkte Hungerqual und schmerzhaftes Bohren in den Eingeweiden.
    Es hatte sich längst herumgesprochen, daß Bascha Tarrasowa auf einen neuen Seidenschal verzichtete. Aber Major Worotilow war unerbittlich, und Leutnant Markow baute die Strafe zu einer Schikane aus, unter der die Plennis keuchten und fluchten. Es nutzte nichts, daß die Baracke VII in Block 5 in einen Hungerstreik trat. Markow betrat sie mit fünf Soldaten und baute ein Maschinengewehr in dem langen Raum auf, legte die Tagesrationen auf die Tische und kommandierte: »Alles fressen!« Da krochen die hungernden Gestalten von den Pritschen und hinter den Spinden hervor und verzehrten unter dem Lauf des Maschinengewehrs ihre Portion. Leutnant Markow lachte, als er die Baracke verließ.
    Karl Georg versuchte an diesem Tag seine Tulpen zu verkaufen. Er hatte lange gezögert, ehe er sie abschnitt und wie Kleinode in die Baracke trug. Dort hatte er sie noch einmal allen Kameraden gezeigt, ehe er sie unter dem Hemd verbarg und zur Waschbaracke schlich, wo der Kirgise in der Sonne faulenzte und seine Zigarette rauchte.
    »Hier, du Sauviech!« sagte Karl Georg und hielt ihm die Tulpen hin. »Für dein Mädchen, die alte Hure! Zehn Rubel!« Er hob beide Hände hoch und zeigte alle Finger.
    Der Kirgise lachte breit. Er griff in die Tasche, legte sechs Rubel auf einen Schemel, nahm die Blumen aus Georgs Hand, trat ihm in den Hintern und schrie lachend hinterher, als der Deutsche mit seinen sechs

Weitere Kostenlose Bücher