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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Patientin Guajakol und für die Nächte Codein.«
    »Der Erfolg war natürlich negativ?«
    Kresin nickte wortlos. Er kletterte vom Sitz und klopfte an die Balkentür. Ein Rotarmist öffnete und grüßte, als er den Arzt sah. »Ist Genossin Salja da?« fragte Kresin.
    »Jawohl.« Der Soldat blickte auf den Gefangenen. »Der deutsche Arzt?«
    »Mach schon auf, du Idiot!« schrie Dr. Kresin. Er trat gegen die Tür. Sie sprang auf, krachte gegen die Wand und schlug wieder zurück. »Kommen Sie«, sagte er zu Dr. Schultheiß, »hier ist alles mißtrauisch, weil alle ein schlechtes Gewissen haben.«
    Sie durchschritten einen großen Raum, sparsam möbliert, traten durch eine Fenstertür ins Freie und sahen zwischen den blühenden Sträuchern in einem Korbstuhl eine zarte Mädchengestalt sitzen. Rötlichblondes Haar lag eng um den schmalen Kopf, aus dem große, fiebrig glänzende Augen leuchteten. Blaue Augen.
    Dr. Schultheiß verbeugte sich und wartete ab, was Dr. Kresin sagte. Dessen Russisch war viel zu schnell, als daß er mehr als ein paar Worte hätte verstehen können. Aber dann sah ihn Salja an und reichte ihm die Hand. Er ergriff sie zögernd, seit Jahren daran gewöhnt, einem Russen nicht die Hand geben zu dürfen.
    »Worotilow schickt Sie?« sagte sie mit schleppender, müder Stimme. »Ob es noch Zweck hat, Doktor?«
    Schultheiß wunderte sich über ihr gutes Deutsch und nickte. »Bestimmt. Ich werde versuchen, was ich kann. Sie sollen wieder gesund werden …«
    Dr. Kresin wischte mit der Hand durch die Luft. Er tat es immer, wenn er unwillig war. »Keine langen Reden. Gehen wir ins Haus, Genossin, und lassen Sie uns mit der Untersuchung beginnen.«
    Janina Salja erhob sich. Sie ging ihnen wortlos voran, ihr Gang war so müde wie ihre Sprache, aber im Wiegen ihrer Hüften lag noch etwas von ihrer verlorenen Schönheit. Es war etwas Katzenhaftes, Gleitendes, Tastendes an ihr, das Dr. Schultheiß aufmerksam machte.
    In ihrem Schlafzimmer fuhr sie sich mit der Hand durch die kurzen Haare, sah flüchtig zu Schultheiß hin und begann dann, sich ungeniert auszuziehen. Sie streifte das Kleid ab und legte sich aufs Bett. Dabei schloß sie die Augen und kreuzte die Arme hinter dem Nacken. Ihre Haut war fahl und von einer dünnen Schicht Schweiß überzogen.
    Dr. Kresin schob Schultheiß ein Stethoskop hin. »Fangen Sie schon an«, sagte er grob. »Ich hole die Röntgenplatten …«
    Die Sonne lag auf ihrem zarten Oberkörper, als sich Schultheiß mit dem Hörrohr über sie beugte. Eine starke Erregung ließ das Blut in seinen Adern rauschen, so daß er die Atemgeräusche der Lunge nicht vernahm und nicht das Hämmern des Herzens. Schweiß trat auf seine Stirn. Er schloß die Augen und zwang sich, auf ihren Atem zu lauschen.
    Die Tuberkulose sieht man – man hört sie nicht, dachte er, das ist eine alte Regel, die sich immer wieder bestätigt. Dennoch klopfte er den Brustkorb ab und gab sich Mühe, die Kaverne zu auskultieren. Es gelang natürlich nicht.
    Er wandte sich ab. »Bitte, ziehen Sie sich wieder an.« Er hörte das Rascheln ihres Kleides. Als er sich umdrehte, sah er sie vor dem Spiegel stehen und sich die Haare kämmen. In ihrem Nacken kräuselten sich ein paar Locken.
    »Ich bin wohl sehr krank?« fragte sie und lächelte seinem Spiegelbild ein wenig verzweifelt zu.
    Schultheiß zuckte die Achseln und sagte: »Ich muß mir erst die Röntgenbilder ansehen. Wenn das stimmt, was mir Dr. Kresin sagte, so müssen Sie eisern liegen und nichts als liegen. Alkohol und Tabak sind streng verboten.« Er nahm eine Packung kaukasischer Zigaretten von dem Nachttisch neben ihrem Bett und zerbröckelte sie zwischen den Fingern. »Sie müssen sehr folgsam sein.«
    »Mein Bruder starb in deutscher Gefangenschaft.« Sie legte den Kamm hin und strich über ihr Kleid. »Er arbeitete bei Moers im Bergwerk und starb an Furunkulose.«
    »Ach!«
    »Vielleicht hätte ihn ein deutscher Arzt retten können, aber er wollte keinen deutschen Arzt. Er war Jungbrigadier und fanatischer Kommunist. Ich bin es auch … aber noch mehr liebe ich das Leben …«
    Dr. Kresin trat ins Zimmer und sah sich erstaunt um. »Schon fertig?« brummte er. Er hielt Dr. Schultheiß einige Röntgenaufnahmen hin und stellte sich neben ihn. Gegen die Sonne trat deutlich die große Kaverne in der Lunge hervor. Dr. Kresin blickte den deutschen Arzt von der Seite an.
    »Na?« murmelte er, »was wollen Sie tun?«
    »Einen Pneumothorax.«
    »Idiotie! Woher soll ich

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