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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Isolierstationen für die ansteckenden Krankheiten, wie Ruhr, Typhus, Malaria … Am Abend waren die Pläne so weit fertig, daß sie Dr. Kresin und Major Worotilow vorgelegt werden konnten. Dr. Böhler brachte die Listen selbst in die Kommandantur, wo noch immer Kommissar Kuwakino saß und die Namen der Neukommunisten nach bestimmten Gruppen ordnete. Er lächelte den Arzt an und nahm die Listen an sich.
    »Moskau ist großzügig, Sie werden alles erhalten! Alles! Nur eins nicht – genügend zu essen!«
    Dr. Böhler war es, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen. Er starrte Worotilow an. Der Major sah zu Boden.
    »Es ist keine Schikane«, sagte er langsam. »Das Jahr 1947 hat unter einer großen Dürre gelitten. Die Hitze hat die Felder versengt, die Ernte blieb zurück. Das Korn, das Gemüse, das Obst, alles verdorrte in der Sonne. Auch Rußland wird dieses Jahr hungern müssen. Ich werde froh sein, die Rationen, die wir jetzt haben, noch halten zu können. Wir werden nächste Woche zu Hirsebrei und Graupen übergehen müssen. Auch der Kohl ist knapp.«
    »Und meine Magenkranken? Sie gehen daran zugrunde.«
    »Auch in Rußland gibt es Tausende von Magenkranken. Wir können ihnen nicht helfen. Die Natur war stärker als unser Wille …« Worotilow legte seine Hand auf die Listen und sah Dr. Böhler groß an. »Sie werden ein Lazarett bekommen, wie es in Stalingrad besser nicht ist! Sie werden Sportplätze bekommen, einen Kinosaal, eine Bibliothek mit den modernsten Büchern aus Rußland und Deutschland. Man wird Zeitungen verteilen … Illustrierte und Romanhefte. Die Gefangenschaft wird eine Erholung sein. Nur – Sie werden hungern müssen!«
    »Und arbeiten! Sie werden verlangen, daß die Plennis mehr und besser schuften, weil sie alle Vorteile der Freiheit hinter Stacheldraht genießen! Man wird die Sollquoten in den Fabriken und Bergwerken höherschrauben und die Männer knechten, wenn sie vor Erschöpfung nicht mehr kriechen können. Was nützt mir ein Lazarett, was kann ein Sportplatz bedeuten, wenn die Männer, die Sport treiben sollen, vor Entkräftung keinen Ball aufheben können? Das ist doch Hohn!«
    Kommissar Wadislav Kuwakino, dessen deutsche Sprachkenntnisse sehr mangelhaft waren, sah zu Worotilow. »Was sagt er?«
    »Unwesentliches.« Major Worotilow wischte durch die Luft. »Er meint, daß Hunger weh tut.«
    Kuwakino lachte meckernd und nickte beifällig. Worotilow blickte schräg zu Dr. Böhler. »Die Arbeitsbrigaden werden ab Frühjahr einen Teil des Lohnes ausbezahlt bekommen. Monatlich 250 Rubel … 450 Rubel erhält das Lager für Unterkunft und Verpflegung. Was über diesen Gesamtbetrag verdient wird, verfällt ebenfalls dem Lager. Vielleicht erhalten es die Leute ausgezahlt, wenn sie nach Deutschland entlassen werden. Vielleicht. Immerhin – jeder, der arbeitet, kann jetzt 250 Rubel haben und sich damit in der Stadt oder den Werkskantinen zusätzliche Lebensmittel kaufen.« Worotilow sah Dr. Böhler erwartungsvoll an. »Zwei Pfund Brot kosten 3 Rubel! Ein Pfund Margarine 9 Rubel! 250 Rubel sind ein Vermögen!«
    »Und was geschieht mit denen, die nicht arbeiten können? Mit den Alten, den Verletzten, den Kranken?«
    »Sie werden wie bisher von Graupen und Kohl, von Brot und Hirse leben müssen.« Worotilow zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, daß die deutsche Kameradschaft so weit geht, daß die Verdienenden die Armen mit durchhalten …«
    Dr. Böhler nickte. »Darf ich das im Lager bekanntmachen?«
    »Ja. Nur nennen Sie keine Daten. Die Bestimmungen sind von Moskau herausgegeben … wann der große neue Apparat zu arbeiten beginnt, weiß ich nicht.«
    »Es lebe Stalin!« sagte Kuwakino höhnisch.
    Wortlos wandte sich Dr. Böhler ab und verließ die Kommandantur.
    Die Nachricht flog wie eine Feuersbrunst durch das Lager.
    Erregte Diskussionen durchschwirrten die Baracken.
    »Nichts ist umsonst!« sage Peter Fischer. »Wenn der Russe uns etwas schenkt, nimmt er auch wieder etwas! Wo gibt's denn das: der Russe wird human!«
    »Möglich ist alles.« Karl Georg saß wieder auf seinem Bett, in der Hand hielt er eine Zeitung. Es war die Komsomolskaja Prawda, die große Tageszeitung des Verbandes der Jungkommunisten. Woher er sie hatte, wußte niemand. Er kam immer an die neuesten russischen Blätter und studierte sie fleißig, um seine Sprachkenntnisse zu vervollständigen. Möller nannte Georg eine Intelligenzwanze, aber das regte ihn nicht auf. »Hier steht«, sagte er, »daß die Russen

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