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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Bursche.
    »Go back, inside.«
    »Yes. I go. No problem.« Der Bursche hob die Hände.
    Ein Polizist ohne Waffe, dachte Jensen, das kann er sich nicht vorstellen. Das war das Pfund, mit dem Jensen jetzt wuchern musste.
    Er folgte dem Burschen in die Kajüte und schloss die Tür.
    Jensen gab sich fünf Minuten. In fünf Minuten würde er das Schiff verlassen, mit oder ohne Ilunga Likasi.
    Der Bursche stand mit erhobenen Armen neben seiner Pritsche. Sein Blick war lebhaft; er hatte Angst, aber die Freude darüber, dass das Leben endlich so spannend war, wie er es sich erträumt hatte, überwog.
    »I know nothing«, sagte er.
    Fünf Minuten, dachte Jensen. Fünf Minuten, in denen er nicht an das Kind denken durfte, nicht an Annick, nicht daran, dass es vielleicht nie ein Haus am Minnewater-Park geben würde, weil ihm vielleicht zum zweiten Mal in seinem Leben ein Kind genommen wurde, so als sei es ihm nicht vergönnt, Vater zu werden, obwohl die Natur andererseits die größten Idioten zu Vätern machte. Ihm aber schickte sie Wespen und jetzt diese Blutung, er schlug auf den Tisch und sagte auf Englisch: »Sie lügen. Sie wissen, wo sie ist.« Er setzte alles auf eine Karte. »Wie heißen Sie?«
    »Miguel.«
    »Miguel. Ich bin sehr wütend. Ich werde keine Geduld mit Ihnen haben.« Das war nicht gelogen, er war wütend, auf die blinden Prozesse, die sich nach dreizehn Jahren erneut gegen ihn und sein Kind richteten und die sich jeder Schuldzuweisung entzogen. Sie hatten kein Gesicht, keinen Namen, den man verfluchen konnte; es waren nuratomare Tänze ohne Ziel und Absicht. Sie Schicksal zu nennen, wie Trees Lachaert, hätte die Tragödie nur vervollständigt. Jensen packte Miguel am Kragen, dazu brauchte es nicht viel Mut, der Bursche war ein Federchen und einen Kopf kleiner als er.
    »Wo ist die Frau? Ich weiß, dass sie auf diesem Schiff ist. Das ist Menschenraub, Miguel. Dafür bringe ich Sie zehn Jahre ins Gefängnis.«
    »Nicht ich, Señor. Nicht ich! Ich passe nur auf! Ich bringe ihr nur das Essen. Madre de dios!« Miguel bekreuzigte sich.
    »Du bringst ihr das Essen?« Jensen konnte es kaum glauben: Er hatte Glück! Der Bursche wusste tatsächlich, wo sie war.
    »Zeig mir, wo sie ist. Bring mich hin.«
    »Aber dann, Señor. Dann gehe ich nichts ins Gefängnis? Ich zeige es Ihnen, aber ich gehe nicht ins Gefängnis?« Der Ausdruck in seinen Augen hatte sich verändert, keine Abenteuerlust mehr, nur noch Angst.
    »Woher kommst du?«, fragte Jensen.
    »Bucaramanga, Señor. Kolumbien.«
    Und er ist noch zu jung, dachte Jensen, um zu wissen, dass belgische Gefängnisse komfortabler sind.
    »Gut. Einverstanden. Du bringst mich zu ihr, und ich lasse dich laufen.«
    »Gracias! Gracias, Señor! Da«, sagte er. Er zeigte auf die Tür.
    »Ja. Geh. Aber mach keine Dummheiten.«
    »Dummheiten?« Miguel verstand das Wort nicht.
    »You make no problems«, sagte Jensen in vereinfachtem Englisch.
    »No, no.« Miguel schüttelte den Kopf. »No problems. No prison.«
    Miguel ging voran, Jensen folgte ihm in Griffweite. Auf dem Gang legte Miguel den Finger an die Lippen.
    »Leise«, sagte er. »Baxter.« Er zeigte an die Decke.
    »Wer ist Baxter?«
    »Kapitän. Chef. Ich muss aufpassen. Sie nehmen die Frau, Sie gehen. Ich sage, ich weiß nichts. Ich habe geschlafen. Okay?« Miguel zwinkerte ihm zu, das gefiel Jensen nicht. Der Bursche schien sich sicherer zu fühlen, jetzt, da er Jensen durchs Schiff führte, irgendwohin, in eine Falle vielleicht.
    Sie stiegen eine Treppe hinunter. Es stank nach Urin, die Tür zu einer Toilette stand offen. Auf der Rückseite der Tür klebte ein Poster, darauf ein roter Sportwagen, ein Ferrari.
    »Wo sind wir?«
    Miguel drehte sich um.
    »Hier«, sagte er. »Wir sind hier, Señor.« Er öffnete eine Tür und trat zur Seite. »Hier. Hier drin.«
    »Du zuerst.«
    »No problem, Señor.«
    Miguel ging hinein und knipste das Licht an.
    Es war ein Vorratsraum, Konservendosen, groß wie Eimer, standen in den Regalen, gegen den Seegang geschützt durch hölzerne Sperren.
    »Essen.« Miguel deutete auf die Dosen, er lachte. Er rückte eines der mit Dosen vollgestellten Regale von der Wand weg, mühelos.
    »Essen!« Und wieder lachte er, er war stolz auf den Trick. Diese scheinbar schweren Dosen waren leer, Attrappen. Sie dienten einzig dazu, die Geheimtür zu verbergen, die Miguel nun öffnete. Jensen war sich sicher, dass die Antwerper Hafenpolizei auf der Suche nach Schmuggelware schon raffiniertere

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